Volksbegehren zur Abschaltung des AKW Temelin löste Krise aus Haider rechnet mit Neuwahlen

Wien (rpo). Nur zwei Jahre nach ihrem Amtsantritt steckt die Mitte- Rechts-Koalition in Österreich in ihrer bisher schwersten Krise. Mit Neuwahlen noch im Frühjahr rechnet daher der ehemalige Vorsitzende der Freiheitlichen Partei (FPÖ), Jörg Haider.

"Niemand will Neuwahlen", meinte dagegen der Vorsitzende der Volkspartei (ÖVP), Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Ebenso wie FPÖ-Chefin Susanne Riess-Passer betonte er allerdings, dass seine Partei für Neuwahlen gerüstet sei. Die Legislaturperiode endet im Herbst 2003. Die oppositionellen Sozialdemokraten haben für die nächste Parlamentssitzung einen Neuwahlantrag angekündigt.

Auslöser des Streits ist das von der FPÖ gestartete Volksbegehren gegen das tschechische AKW Temelin, das mehr als 915 000 Österreicher unterschrieben haben. Darin wird ein Veto gegen den EU-Beitritt Tschechiens gefordert, sollte Prag das umstrittene Kraftwerk nicht stilllegen. Demgegenüber bekräftigte Schüssel, die EU-Erweiterung sei ein zentrales Anliegen der Regierung. Die von der FPÖ angestrebte Verhinderung der EU-Erweiterung sei ein Bruch der Koalitionsvereinbarung, betonte der Kanzler.

Kernstück des Regierungsübereinkommens sei nicht die EU- Osterweiterung, sondern die Arbeit für Österreich, erwiderte Haider, der selbst das Koalitionspapier mit Schüssel ausgearbeitet hatte. Die etwa 15 Prozent der Wahlberechtigten, die das Volksbegehren unterschrieben haben, wollten, "dass alles getan wird, um Temelin zu verhindern. Da kann am Ende auch das Veto stehen".

Außerdem stehe die Weigerung Prags, die Benes-Dekrete aufzuheben, einem EU-Beitritt des Nachbarn im Wege, sagte der Kärntner Landeshauptmann (Ministerpräsident). Diese auch Deutschland kritisierten Dekrete bildeten die juristischen Grundlagen für die Vertreibung der Sudetendeutschen aus Tschechien nach dem Krieg. Zuvor hatte Haider in einem Interview der Prager Zeitung "Lidove noviny" erklärt: "Falls die ÖVP die österreichischen Interessen vor allem im Rahmen der Europäischen Union unzureichend schützt, ist es selbstverständlich eine Frage, inwiefern unsere Koalition weiter funktionieren kann."

Am Dienstagabend hatte die FPÖ-Spitze eine Klarstellung vom Bundeskanzler gefordert, ob er noch zur Koalition stehe oder Neuwahlen anstrebe. "Wenn Schüssel das Ende der Koalition will, kann er es haben", hatte es in der Presseerklärung geheißen. "Ich glaube, dass niemand Neuwahlen will", hatte der Kanzler am Mittwoch geantwortet. Statt der Neuwahldebatte solle die Regierung "jetzt zur Arbeit zurückkehren". In der Folge hatte Haider die Erklärung Schüssels als "wenig befriedigend" bezeichnet.

(RPO Archiv)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort