Havemann-Prozess Haftstrafen für Ex-DDR-Staatsanwälte

Neuruppin (dpa). Wegen Verfolgung des DDR-Regimekritikers Robert Havemann sind zwei frühere DDR-Staatsanwälte vom Neuruppiner Landgericht zu Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden. Der ehemalige Kreisstaatsanwalt aus Fürstenwalde und die ranghohe Mitarbeiterin der DDR-Generalstaatsanwaltschaft hätten sich bei drehbuchartig geplanten Scheinprozessen gegen Havemann der Rechtsbeugung schuldig gemacht, urteilte die 1. Große Strafkammer am Montag im neu aufgelegten Prozess.

Das Landgericht folgte mit dem Urteil im wesentlichen den Anträgen der Staatsanwaltschaft, die zwölf und 14 Monate auf Bewährung gefordert hatte. Die Verteidigung, die Freispruch verlangt hatte, kündigte Revision an. Im ersten Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) waren die beiden Angeklagten 1997 freigesprochen worden. Der Bundesgerichtshof hatte die Urteile 1998 aufgehoben.

Havemann war nach einem im Westen veröffentlichten offenen Brief an Staats- und Parteichef Erich Honecker 1976 von der DDR-Justiz unter Hausarrest gestellt worden. 1979 wurde - laut Gericht maßgeblich von der Staatsanwältin initiiert - ein Devisenstrafverfahren gegen Havemann eingeleitet, in dem dieser zu einer Geldstrafe von 10 000 DDR-Mark verurteilt wurde. Für die erwiesene Rechtsbeugung durch die 70 Jahre alte Angeklagte seien absichtliche menschenverachtende Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze ausschlaggebend, sagte der Vorsitzende Richter Gerd Wegner in seiner mehrstündigen Urteilsbegründung.

Der frühere Kreisstaatsanwalt von Fürstenwalde habe sich der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung schuldig gemacht, da es sich bei dem Hausarrest gegen Havemann - auch nach DDR-Recht - um eine Freiheitsberaubung ohne gesetzliche Grundlage handelte. Dieses Verfahren sei ebenfalls eine "von oben gesteuerte und abgestimmte Maßnahme gewesen", die dem heute Angeklagten ersichtlich sein musste.

Staatsanwalt Klaus Jähnert-Piallat wertete das Urteil als einen wichtigen "Abschluss der Havemann-Verfahren". Er schloss allerdings nicht aus, dass es - abgesehen von der angekündigten Revision - noch zu einem weiteren Verfahren gegen zwei frühere DDR-Richter kommen könnte. Sie hatten in Frankfurt (Oder) noch mit auf der Anklagebank gesessen. Auch für sie waren die Freisprüche vom Bundesgerichtshof aufgehoben worden, die Verfahren wurden jedoch vor der Neuauflage wegen Krankheit abgetrennt.

Havemann, 1910 in München geboten, war in der Nazi-Zeit zum Tode verurteilt worden. Das Urteil wurde nicht vollstreckt, weil er als Chemiker an kriegswichtigen Forschungen beteiligt war. Nach dem Krieg wandte er sich zunächst den Kommunisten zu. Mitte der 50er Jahre brach er mit der SED und ging auf Distanz zur stalinistischen Führungsriege. Im Westen wurde Havemann durch SED-kritische Publikationen bekannt; in der DDR galt er zeitweilig als Staatsfeind Nummer eins und wurde von bis zu 200 Stasi-Spitzeln überwacht. Havemann starb 1982.

(RPO Archiv)
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