Interview mit Claudia Roth "Grüne setzen mit Urwahl Maßstäbe"

Interview Die Parteivorsitzende Claudia Roth über den Kampf um die Spitzenkandidatur der Grünen und die Lage in Syrien

Frau Roth, die Grünen lassen die beiden Spitzenkandidaten für die nächste Bundestagswahl derzeit in einer Urwahl der Parteibasis bestimmen. Wird dies Schule machen?

Roth Mit der Urwahl geben wir eine Vorlage, auf die andere Parteien neugierig, fast neidisch schauen. Wir können Maßstäbe setzen, was die innerparteiliche Demokratie angeht. Ich gehe davon aus, dass das Beispiel der Urwahl Schule machen wird, bei uns und auch bei anderen Parteien. Die Befürchtung, wir würden uns jetzt nur noch mit uns selbst beschäftigten, trifft überhaupt nicht zu. Die Parteibasis beteiligt sich leidenschaftlich mit inhaltlichen Fragen.

Viele rufen nach einem Generationenwechsel bei den Führungs-Grünen.

Roth Das Alter spielt doch nicht die entscheidende Rolle. An Familienministerin Kristina Schröder sehen Sie doch, dass ein junges Alter kein Garant dafür ist, dass auch fortschrittliche Politik gemacht wird. Außerdem bietet ja gerade die Urwahl auch für neue Gesichter die Möglichkeit, sich zu präsentieren und ihre Chance zu ergreifen.

Nach den Umfragen kann Rot-Grün die Macht 2013 im Bund nicht erlangen. Warum kommt Rot-Grün nicht an?

Roth Es gibt eine hohe Zustimmung für die Kanzlerin im Volk, aber eine klare Ablehnung der Politik der Bundesregierung. Unsere Aufgabe im Wahlkampf wird es sein, deutlich zu machen, dass Merkel nicht wie der Heilige Geist von Schwarz-Gelb über allem schwebt, sondern höchstpersönlich die schlechte Politik dieser Regierung zu verantworten hat.

Welche Machtoption haben die Grünen 2013?

Roth Wir stehen deutlich besser da als 2009. Wir sind in fünf Landesregierungen vernehmbar vertreten. Wir sitzen in allen Landtagen. Wenn es in den Ländern klappt, dann gibt es eine echte Chance, dass es für Rot-Grün auch auf Bundesebene reicht. 2013 gibt es zwei Alternativen: entweder Stillstand mit einer großen Koalition oder Aufbruch mit Rot-Grün. Wer die große Koalition verhindern will, muss Grün wählen.

Ist eine Ampelkoalition Rot-Grün mit der FDP denkbar?

Roth Nein, das geht wegen der inhaltlichen Gegensätze nicht. Es gibt neben der CSU keine andere Partei im Bundestag, die weiter von den Grünen weg ist als die FDP.

Dann also Rot-Rot-Grün?

Roth Die Avancen der Linken entbehren doch jeder realen Grundlage. Man öffnet sich doch nicht für Rot-Rot-Grün, indem man das über die Medien anbietet und als erstes Bedingungen stellt, die niemand erfüllen kann. Wir können nicht alle Sozialreformen zurückdrehen. Wir können uns auch nicht darauf festlegen, grundsätzlich auf alle Bundeswehr-Einsätze im Ausland zu verzichten.

Gibt es eine Chance, wie der Westen Assad in Syrien ablösen kann?

Roth Ganz sicher nicht militärisch. In einem so hoch aufgerüsteten Land wie Syrien wäre das unkalkulierbar, auch für die Region als Ganzes. Wir brauchen weitere Verhandlungen, unter Einbeziehung aller Akteure der Region, auch des Iran.

Was kann die Bundesregierung tun?

Roth Die Bundesregierung muss das echte Angebot machen, Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Dazu müssen konkret Kommunen angefragt werden, ob sie Platz für Flüchtlinge haben. Deutschland sollte mit dieser Bereitschaft in Europa ein Beispiel setzen. Dann muss auch die EU eine Vereinbarung treffen, wie Flüchtlinge aus Syrien in Europa aufgenommen werden können.

Michael Bröcker und Eva Quadbeck führten das Interview.

(qua, brö)
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