Ja zum Koalitionsvertrag Am Tag tiefgrüner Zufriedenheit

Berlin · Auch die Grünen-Mitglieder stimmen mit großer Mehrheit für den Koalitionsvertrag und für den Personalvorschlag ihres Verhandlungsteams. Jetzt soll es losgehen – in vier Ampel-Jahren mit Klima- und Agrarwende.

 Grüne Ministerriege für die Ampel: Anne Spiegel, Robert Habeck, Annalena Baerbock, Cem Özdemir und Steffi Lemke (von links) werden für die Grünen am Kabinettstisch sitzen

Grüne Ministerriege für die Ampel: Anne Spiegel, Robert Habeck, Annalena Baerbock, Cem Özdemir und Steffi Lemke (von links) werden für die Grünen am Kabinettstisch sitzen

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Im Innenhof der Eventlocation „Alte Münze“ steht der Leichenwagen. Bloß kein Omen! Aber nein, die Grünen werden die Ampel nicht beerdigen bevor sie überhaupt angefangen haben, in diese Koalition einzusteigen. Das hier ist der letzte Schritt vor dem Machtwechsel. Am Samstag Rot, am Sonntag Gelb und jetzt am Montag wollen die Grünen ihr Teil des Ampellichts frei schalten. Annalena Baerbock, Robert Habeck, Michael Kellner, Anne Spiegel, Steffi Lemke, Cem Özdemir und Claudia Roth stehen oben auf dem Podium. Alles zufriedene Gesichter. Sie sind drin als Minister oder Staatssekretär oder Staatsministerin in der ersten rot-grün-gelben Bundesregierung. Denkt gerade jemand an Anton Hofreiter, der im grünen Postenkampf um ein Ministeramt leer ausging? Oder an Katrin Göring-Eckardt, die ebenfalls keine Bundesministerin wird? Auch diese Koalitionsverhandlungen haben Wunden und Verletzungen hinterlassen, wie immer, wenn es um Macht und Posten geht. Die Grünen sind da keinen Deut anders als andere Parteien. Wenn es hart wird, werden aus Parteifreunden schnell unfreundliche Nachbarn. Grünen-Chef Robert Habeck wird später sagen, alle würden für die nächsten vier Jahre gebraucht, die gesamte Breite der Partei, natürlich auch Hofreiter.

Jetzt wollen sie nach vorne blicken. Ab Mittwoch sind sie aller Voraussicht nach Teil der nächsten Bundesregierung. Dann kann es losgehen mit der „Fortschrittsregierung“. Aber vorher müssen die Grünen noch verkünden, ob eine Mehrheit der 125 000 Mitglieder in einer Urabstimmung auch Ja zum Koalitionsvertrag gesagt haben. „Wurzeln für die Zukunft“ haben die Grünen diese Ergebnispräsentation überschrieben. Der Ampelbaum wird starke Wurzeln brauchen. Dass etwa die Unionsparteien an diesem Tag schon einmal testen, wie stark der Ampelkitt ist, merken auch die Grünen. CDU und CSU schlagen eine Frau im Bundespräsidialamt vor. Ob die Grünen Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier unterstützen? Baerbock macht es kurz: Jetzt gehe es darum, eine Bundesregierung ins Amt zu bringen. Die Bundesversammlung mit Wahl des Bundespräsidenten stehe im nächsten Jahr an.

Das Ergebnis der Grünen-Urabstimmung ist der letzte Schritt vor dem Machtwechsel. Die Grünen haben – ganz basisdemokratisch – alle 125 000 Mitglieder gefragt: Ja oder Nein zur Ampel? 86 Prozent stimmen schließlich für den Koalitionsvertrag. Der Politische Bundesgeschäftsführer Michael Kellner spricht von einem „richtig starken Ergebnis“. Bei 57 Prozent Wahlbeteiligung. Man kann die Sache auch so sehen. Fast die Hälfte der Grünen-Mitglieder war nicht zu motivieren, sich an dieser Urabstimmung zu beteiligen. Claudia Roth, die Mutter aller grünen-Parteitagsschlachten, spricht in jahrzehntelanger Kenntnis der Grünen jedenfalls von einem „Mega-Ergebnis“. Roth: „86 Prozent für eine grüne Partei, Chapeau!“

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An diesem Tag ist bei den Grünen alles „stark“. Grünen-Chef Robert Habeck, der bald Bundesminister für Wirtschaft, Klima und Transformation sein wird, betont, jetzt sei ein Moment, „Luft zu holen“. Er persönlich sei „zufrieden, fast stolz auf den Koalitionsvertrag“. Die designierte Außenministerin Annalena Baerbock ist erfreut über einen „starken Koalitionsvertrag“, den nun ein „starkes Kabinett“ mit „starken grünen Ministern“ politisch mit Leben fülle. Baerbock wird ihre erste Auslandsreise im neuen Amt nach Brüssel führen – ganz bewusst ins Herz des politischen Europas. Baerbock sagt zwar noch: „Die Reisepläne werden gerade noch gemacht.“ Aber Brüssel ist gesetzt. Von dort will Baerbock beispielsweise eine „gemeinsame europäische China-Politik“ machen, wo man schließlich nicht daran vorbeikomme, mit China zu reden.

Alle im Grünen-Ministerlager sind an diesem Tag zufrieden. Steffi Lemke, die designierte Umweltministerin, sagt, das Votum der Mitglieder sei ein „Vertrauensvorschuss“. Man werde in den nächsten vier Jahren alles daransetzen, dem Vertrauen gerecht zu werden und Landnutzung mit Landschutz miteinander zu verbinden. Der künftige Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, seit langem Vegetarier, betont, es gehe ihm „um Spaß, auch um Genuss beim Essen“. Aber eben so, „dass Tiere dabei nicht gequält“ würden. Als Sohn türkischer Einwanderer sei es ihm „nicht in die Wiege gesungen gewesen, dass ich mal hier stehen würde“. Aber er muss ran – auch ins Gespräch mit der mächtigen Bauernlobby. Anne Spiegel, künftige Familienministerin, ist schon Ampel-erfahren. In Rheinland-Pfalz regiert bereits die zweite Ampel-Regierung. Was sie denn der Bundes-Ampel mit auf den Weg geben könne? Spiegel ist da wenig spektakulär. Ja, es sei ein Vorteil, wenn man sich kenne und einschätzen könne, wie etwa Volker Wissing, mit dem sie in Mainz den Kabinettstisch geteilt habe. „Aber am Ende sind es alle politische Profis“, sagt Spiegel. Die Grünen wollen, dass bei der Ampel vor allem das Grünsignal leuchtet: für die Klimawende, für Transformation, für neue Landwirtschaft. In vier Jahren wird abgerechnet. Özdemir sagt, was alle auf dem Podium denken: „Wir wollen wiedergewählt werden.“

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