Athen Griechisches Nein

Athen · Überraschend deutlich lehnen die Griechen die Sparprogramme der internationalen Geldgeber ab. Ein Euro-Austritt Athens wird nun immer wahrscheinlicher.

Triumph für Alexis Tsipras: In einer Volksabstimmung sind die Griechen mehrheitlich dem Appell ihrer Regierung gefolgt, die letzten Sparvorschläge der Gläubiger zurückzuweisen. Nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen lag der Anteil der Nein-Sager bei rund 62 Prozent. Mit Ja haben nur etwa 38 Prozent der Wähler gestimmt. Nach letzten Umfragen war mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen gerechnet worden. Die Wahlbeteiligung lag nach ersten Hochrechnungen bei 60 Prozent - 40 Prozent waren nötig, damit die Abstimmung rechtskräftig ist.

Tsipras will nun neue Verhandlungen. Erste Priorität habe die Wiederöffnung der Banken, erklärte er am Abend in einer Fernsehansprache. Athen sei zu Reformen bereit. Dringend notwendig seien Investitionen sowie die Umstrukturierung der Schulden. Das griechische Volk habe unter schwierigsten Bedingungen bewiesen, dass die Demokratie sich nicht erpressen lasse. Das Ergebnis des Referendums sei kein "Bruchmandat" mit den Gläubigern, sondern ein Mandat für eine Einigung mit sozialer Gerechtigkeit.

9,8 Millionen Bürger waren aufgerufen, über die Sparmaßnahmen und Reformen zu entscheiden, die Voraussetzung für neue Hilfskredite von EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds sind. Der Vorschlag der Gläubiger liegt allerdings gar nicht mehr auf dem Tisch - das Griechenland-Rettungsprogramm ist am vergangenen Dienstag ausgelaufen.

Wie eine Verhandlungslösung mit der gestärkten griechischen Regierung aussehen könnte, die den Euro-Partnern am Wochenende "Terrorismus" unterstellte, ist völlig unklar. Noch am Abend kündigte der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis an, mit den internationalen Geldgebern neu verhandeln zu wollen. Europa dürfe kein riesiger eiserner Käfig der Sparpolitik mehr sein.

Kommt es jetzt zu keiner schnellen Einigung, droht Griechenland eine umfassende Staatspleite, die in ein Ausscheiden aus dem Euro ("Grexit") führen könnte. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hatte kurz vor dem Referendum gewarnt, bei einem Nein sei Griechenlands Verbleib im Euro in Gefahr.

Bundeskanzlerin Angela Merkel will heute nach Paris reisen, um mit Frankreichs Präsident François Hollande zu reden. Die beiden Politiker sprachen sich gestern für einen Euro-Sondergipfel am Dienstag aus. Die Euro-Finanzminister planen nach Angaben eines Vertreters der Euro-Zone kein Notfall-Treffen: Die Minister wüssten nicht, was es nach dem Nein zu besprechen gebe. Allerdings ist eine Telefonkonferenz der Staatssekretäre angesetzt.

"Das ist ein katastrophales Ergebnis", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Michael Fuchs (CDU), unserer Zeitung: "Die Griechen haben sich von Europa abgewendet." Das weitere Verhandlungsverfahren sei nun "bedeutend schwieriger" geworden: "Die Wahrscheinlichkeit für einen Grexit ist ganz sicher gestiegen."

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nannte Tsipras einen "Erpresser und Volksbelüger". SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte dem "Tagesspiegel", der griechische Regierungschef habe "letzte Brücken eingerissen, über die Europa und Griechenland sich auf einen Kompromiss zubewegen konnten". Verhandlungen über milliardenschwere Programme seien kaum vorstellbar. Der Ball liege jetzt in Athen, so Gabriel.

Erfreut zeigte sich dagegen Linken-Chef Bernd Riexinger. "Die Griechen haben sich gegen die katastrophale Politik der wirtschaftlichen Verwüstung gewehrt. Sie haben Nein zu einer falschen Medizin gesagt, die immer nur kränker macht."

(RP)
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