Analyse Griechenland wird neuen Schuldenerlass brauchen

Athen/Berlin · Der Preis für den Verbleib Griechenlands im Euro wird höher sein als die Bundesregierung im Moment eingestehen will: Auch aus Angst vor zu viel Unmut im Bundestag spricht sie jetzt lieber noch nicht laut davon, dass im Herbst neue Schuldenerleichterungen für Athen anstehen.

Das Wort Schuldenschnitt ist geächtet. Es wird sicher in keiner Vereinbarung mit Griechenland stehen. Darauf wird die Bundesregierung achten. Doch neuen Schuldenerleichterungen für Athen, die zu merklichen Lücken im Bundeshaushalt führen, wird Berlin wohl im Herbst zustimmen müssen. Denn Griechenland ist in einem Maße überschuldet, in dem es auch mit neuen Sparmaßnahmen oder erfolgreichen Strukturreformen nicht mehr rechtzeitig gelingen kann, die Schuldenspirale zu stoppen. Darauf hat der Internationale Währungsfonds hingewiesen.

Europa, so seine Analyse der Schuldentragfähigkeit, werde sich entscheiden müssen, ob es Athen mit direkten jährlichen Milliardentransfers, einem "tiefen" Schuldenschnitt oder der Aussetzung der Schuldenrückzahlung um "sagen wir 30 Jahre" unter die Arme greift. Da die letzte der unschönen Varianten die am wenigsten schmerzhafte ist, dürften sich die Geldgeber dafür entscheiden. Bisher hatten sie Athen die Aussetzung der Tilgungen bis 2022 gewährt, künftig könnte die Rückzahlung erst 2042 beginnen.

Noch schreckt die Bundesregierung davor zurück, die Abgeordneten im Bundestag darüber aufzuklären, dass Griechenlands Verbleib im Euro noch deutlich teurer werden wird, als es zurzeit in den Papieren steht. Es ist aber durchaus nicht so, als seien die Schuldenerleichterungen nicht schon in den Beschlüssen des Euro-Gipfels vom Montag eingeleitet. Wenn Griechenland alle vereinbarten Auflagen für ein drittes Hilfspaket beschließt und in die Wege leitet, so der Beschluss, werde man im zweiten Schritt über die Umstrukturierung der Schulden reden. Für den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras war das eine der wenigen Trophäen, die er mit nach Hause bringen konnte.

Damit auf den zweiten nicht noch ein dritter Schuldenschnitt folgt, wäre es wichtig, dass die Geldgeber mit Griechenland wirksame Schritte vereinbaren, die kurz- und langfristig zu mehr Wirtschaftswachstum führen. Das tun die neuen Spar- und Reformbeschlüsse nur zum Teil. Manche Auflagen sind kontraproduktiv, etwa die Erhöhung der Mehrwertsteuer im Tourismus. Aber ohne diese Schritte wären die Euro-Länder nicht alle zu neuen Zugeständnissen bereit gewesen.

Athen wird die Troika und weiteren Know-How-Transfer auch innerlich akzeptieren müssen, um die vereinbarten Schritte, etwa zur Verbesserung der Steuerverwaltung, erfolgreich umzusetzen. Nur ein kurzer Besuch in Athener Ministerien und im Parlament reicht aus, um den Verdacht zu haben, dass die Umsetzung der vereinbarten Reformen nicht erfolgen wird - weil die handelnden Personen die Reformen ablehnen, und weil ihnen wohl auch die Kompetenz dafür fehlt.

Zudem wackelt die Syriza-Regierung, weil ihr wohl der linke Flügel abhanden kommt. Neuwahlen im Herbst, die das Land zurückwerfen würden, sind absehbar. Auf einen anderen Regierungschef dürfen die Geldgeber nicht hoffen. "Es macht keinen Sinn, die Position von Alexis Tsipras zu schwächen und zu destabilisieren. Er ist gegenwärtig der einzige, der die griechische Bevölkerung und die Parlamentsmehrheit hinter sich bringen kann", sagt etwa Grünen-Chef Cem Özdemir.

(mar)
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