Forderung nach Entschädigung Deutschland verhielt sich Griechenland gegenüber schäbig

Meinung | Düsseldorf · Im Streit um Forderungen aus Griechenland nach Reparationszahlungen für die Nazi-Zeit haben sich Politiker von SPD und Grünen für eine Entschädigung ausgesprochen. Mit Recht? Fest steht: Die Deutschen sollten nicht so tun, als seien sie den Griechen moralisch überlegen.

 Hatten Glück, dass sich die Griechen nie meldeten: Genscher, Kohl.

Hatten Glück, dass sich die Griechen nie meldeten: Genscher, Kohl.

Foto: dpa, Heinrich Sanden

Die Reparationsfrage, die der griechische Premier Alexis Tsipras mit Macht nach vorne bringt, lässt Deutschland nicht los. Es mag durchsichtig sein, dass Griechenland genau dann mit dem Thema kommt, wenn die Not am größten ist und die Kassen leer sind. Doch dieser Umstand enthebt Deutschland nicht von der Pflicht, sich damit auseinanderzusetzen. Denn die forsche Art, mit der die Bundesregierung alle Forderungen Athens abweist, hat auch etwas mit dem schlechten Gewissen Berlins zu tun. So klar, wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) oder ihr Vize Sigmar Gabriel (SPD) die Sache als erledigt ansehen, ist sie nicht.

Keiner zieht in Zweifel, dass Griechenland vom Nazi-Terror getroffen war wie sonst nur die slawischen Nationen. Die rigorose Ausplünderung des Landes führte zu Hungersnöten, Widerstandskämpfer wurden zu Zehntausenden ermordet, ganze Dörfer mit Frauen, Greisen und Kindern ausgelöscht. Schon die Gräueltaten verbieten, hier als Deutsche allzu sehr den moralischen Finger gegen die angeblich "faulen Griechen" zu erheben. Dazu kommt noch die Zwangsanleihe, die Griechenland 1942 der deutschen Militärverwaltung einräumen musste.

Mit Reparationsforderungen aus diesem Unrecht gingen die Deutschen in der Vergangenheit nicht immer sensibel um. Beim Londoner Schuldenabkommen wurden die Griechen auf die Zeit nach der Wiedervereinigung vertröstet, im Jahr 1960 zahlte die Bonner Regierung als pauschalisierte Entschädigung die magere Summe von 115 Millionen Mark. Schon damals galten alle Ansprüche Athens als abgegolten. Allerdings soll der frühere Bundeskanzler Ludwig Erhard 1965 gesagt haben, Deutschland würde die Zwangsanleihe nach einem Friedensvertrag zurückbezahlen. Damit hätte er zumindest die Forderung der Griechen anerkannt.

Besonders schäbig verhielt sich Deutschland im Gefolge der Einheit. Wer für einen einstelligen Milliardenbetrag ein solches Geschenk wie die Wiedervereinigung vom einstigen Kriegsgegner Sowjetunion erhält, hätte sich gegenüber anderen ehemaligen Feinden und jetzigen Partnerländern großzügiger verhalten können. Nachweislich der Unterlagen der deutschen Einheit haben Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher, die Helden der Einheit, alle möglichen Ansprüche der von den Nazis verwüsteten Länder abgebügelt. Sie verzichteten sogar auf einen förmlichen Friedensvertrag, um die Länder nicht auf den Plan zu rufen, obwohl alle vorangegangen Abkommen auf einen solchen Vertrag Bezug nahmen. Kohl und Genscher hatten Glück, dass Griechenland sich nicht meldete. Aber bedeutet das den Verzicht auf alle Reparationen?

Als die Griechen 2001 das Thema erneut hochspielten, stand die deutsche Position rechtlich auf dünnem Eis. Damals fürchteten die Verantwortlichen, Griechenland könnte mit guten Chancen vor den Internationalen Gerichtshof ziehen. Der problemlose Eintritt in die europäische Währungsunion ließ das Thema wieder in den Schubladen der griechischen Bürokratie verschwinden. Aber geklärt war nichts. Es mag sein, dass Deutschland durch die diversen Abkommen und die sonstigen Hilfen für Griechenland gute Argumente hat, nicht endlos für Kriegsverbrechen vor mehr als 70 Jahren zur Kasse gebeten zu werden. Doch das bisweilen aufkommende Gefühl der moralischen Überlegenheit sollten die Deutschen lassen, egal wie unverschämt der neue Premier Alexis Tsipras und sein präpotenter Finanzminister Giannis Varoufakis auftreten. Deutschland sollte eine großzügige Geste wagen, in dem wir unsere moralische Schuld eingestehen, ohne rechtlich eine Kettenreaktion bei anderen auszulösen, die auch Entschädigungszahlungen einfordern könnten.

(kes)
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