Rom Napolitanos Rücktritt stürzt Italien in Regierungskrise

Rom · Der betagte Staatspräsident galt als Garant der Stabilität trotz ständig wechselnder Regierungen. Nun ist er zurückgetreten, wie am Mittwoch offiziell in Rot mitgeteilt wurde. Es drohen unruhige Wochen.

 Staatspräsident Giorgio Napolitano ist zurückgetreten.

Staatspräsident Giorgio Napolitano ist zurückgetreten.

Foto: dpa, mau sh hpl

Die Queen, der Papst und der US-Präsident vertrauten ihm: Über Jahre war Staatspräsident Giorgio Napolitano in Italien der starke Mann, respektvoll "Re Giorgio" ("König Giorgio") genannt. Sein Nachfolger muss in große Fußstapfen treten.

Italiens Premier Matteo Renzi besuchte am Dienstag Straßburg, um vor dem EU-Parlament eine Rede zum Abschluss der italienischen EU-Ratspräsidentschaft zu halten. Die Gedanken des Ministerpräsidenten schweiften mutmaßlich jedoch nach Rom: Denn dort stehen hitzige Wochen bevor. Staatspräsident Napolitano ist am Mittwoch zurückgetreten. Der 89-jährige Napolitano hatte seinen Rückzug bereits im Vorfeld angekündigt und auf sein hohes Alter und seinen Gesundheitszustand verwiesen.

Garant für Stabilität bei ständig wechselnden Regierungen

Er wird im Juni 90 Jahre alt, sein zweites Mandat nahm er im April 2013 nur unter der Bedingung an, dass die Parlamentarier in Rom endlich die Reformen umsetzen, über die sie seit Jahrzehnten diskutieren. Die Parteien, darunter auch das Bündnis des wegen Steuerhinterziehung verurteilten Silvio Berlusconi, waren damals so zerstritten, dass sie sich nicht auf einen Nachfolger einigen konnten und den auch international angesehenen Senior trotz seines hohen Alters anflehten, ein zweites Mal anzutreten.

Napolitano, der in knapp neun Jahren Amtszeit bei ständig wechselnden Regierungen als Garant der Stabilität galt, hatte seinen Rücktritt in der Neujahrsansprache angekündigt. "Ich freue mich, nach Hause zurückzukehren. Es geht einem gut hier, es ist alles sehr schön. Aber es ist ein wenig wie im Gefängnis", kommentierte er seinen bevorstehenden Rücktritt.

Sein Entschluss legt auch nahe, dass der Staatspräsident Italien und die Regierung Renzi mit ihren Reformschritten nun auf dem richtigen Weg sieht. Dennoch ist das Land in einer prekären politischen Situation. Instabile Verhältnisse wie etwa in Griechenland, wo am 25. Januar gewählt wird, kann sich die EU in der drittgrößten europäischen Volkswirtschaft nicht zusätzlich erlauben - der Euro wäre sonst in Gefahr.

Wenn nun aber für einige Wochen der höchste Mann im Staat wegfällt, verliert Italien vorübergehend auch seinen ruhenden Punkt. Premier Renzi will nun mit dem Wahlgesetz und der Verfassungsreform zwei Pfeiler seiner Reformbemühungen noch vor der richtungsweisenden Wahl des neuen Staatspräsidenten festigen.

Schwierige Suche nach Nachfolger

Dabei machen ihm wie bei der Arbeitsmarktreform vor allem Widerstände aus der eigenen Partei zu schaffen. Anschließend wird die Suche nach Napolitanos Nachfolger das Parlament auf eine Probe stellen, an der die Abgeordneten vor zwei Jahren noch kläglich gescheitert waren.

15 Wahlgänge der Parlaments-Vollversammlung bedurfte es bis zur Wiederwahl Napolitanos. Zuvor wurde unter anderem die Wahl von Romano Prodi, des Ex-Premiers und ehemaligen Vorsitzenden der EU-Kommission, boykottiert. Prodi fehlten 101 Stimmen aus den eigenen Reihen der Demokratischen Partei (PD). Dennoch gehört er auch jetzt wieder zu den Kandidaten, denen Chancen eingeräumt werden, da sein Profil scheinbar perfekt auf die Anforderungen passt: Gesucht wird ein erfahrener Politiker, der international angesehen ist und wirtschaftspolitische Kompetenz hat.

Die Chancen des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, gelten als gering, seit Premier Renzi erklärte, einen Politiker und keinen Technokraten in das Amt bringen zu wollen. Renzis PD hat zwar die meisten Stimmen im Parlament. Sie muss sich aber zur Wahl des künftigen Staatspräsidenten mit Berlusconis "Forza Italia" oder Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung abstimmen, deren Stimmen für die absolute Mehrheit notwendig sind. Ab dem vierten Wahlgang kann der Staatspräsident in Italien mit dieser Mehrheit von der Vollversammlung von Senat, Abgeordnetenhaus und einigen Regionalabgeordneten bestimmt werden. Ob der von Flügelkämpfen gezeichnete PD aus seinen Fehlern gelernt hat, wird sich ab Ende Januar zeigen. Dann stehen die ersten Wahlgänge zur Bestimmung des Napolitano-Nachfolgers an. Können sich die Parteien erneut nicht rasch auf einen Kandidaten einigen, sind Neuwahlen und ein institutionelles Chaos nicht ausgeschlossen.

(RP)
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