Abrechnung mit dem politischen Gegner Giftige Duelle am Aschermittwoch

Passau/Schwerte · Die Parteien nutzen ihre Veranstaltungen zur verschärften Abrechnung mit dem politischen Gegner.

In Wahljahren ist am Aschermittwoch nicht alles vorbei, da testen die Parteien, welcher Slogan das Zeug zur Kampagne hat. Und so schenken sich sieben Monate vor den Wahlen die Redner in den Bierzelten kreuz und quer durch die Republik nichts: SPD und Grüne machen aus dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) wegen dessen Positionswechseln einen "Drehhofer". Der schlägt mit heiserer Stimme krachledern zurück, nennt Grünen-Chefin Claudia Roth eine "Trauerweide" und betitelt den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück als "Schuldenkönig".

Zumindest in Sachen Angriffslust trumpft der so Gescholtene in Vilshofen, 20 Kilometer von der CSU entfernt, mächtig auf. Die schwarz-gelbe Koalition sei "auch auf Bundesebene am Ende", sagt Steinbrück voraus und lehnt "großkoalitionäre Anwandlungen der CDU" vehement ab: "Ich spiele nicht auf Platz, ich setze auf Sieg, und ich beschäftige mich mit keinem anderen Szenario." Steinbrück absolviert am Abend noch einen zweiten Termin im nordrhein-westfälischen Schwerte: Dabei räumt er ein, die Niederlage bei der Landtagswahl 2005 sei eine "Narbe auf dem Rücken", die der Sieg von Hannelore Kraft im Jahr 2010 "erträglicher" gemacht habe. Seinen Kritikern empfiehlt er einen "Ironie-Decoder".

Die CSU-Fans genießen derweil in der Dreiländerhalle bei Bier und Brez'n das Doppelpack Eduard Stoiber und Seehofer. Mit Zitaten seines legendären Vorgängers Franz-Josef Strauß arbeitet sich Seehofer an Steinbrück ab: "Jedem das Seine und mir das Meiste" sei offenbar das Lebensmotto des SPD-Kanzlerkandidaten, meint Seehofer und betont, dass er selbst eine "garantiert honorarfreie Rede" halte. Er hätte nach seiner Zeit als Gesundheitsminister auch viele gut bezahlte Vorträge halten können wie Steinbrück, stattdessen habe er sich aber ehrenamtlich um die kleinen Leute gekümmert. Sein Ratschlag an Steinbrück: "Besser den Mund zuhalten als die Hand aufhalten."

Vor deutlich kleinerer Kulisse wird FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle in Dingolfing von seinem Parteifreund Martin Zeil im "Land der Dirndl und Denker" willkommen geheißen. Auch hier meidet Brüderle jede Bemerkung zur Sexismus-Debatte. Alle geben sich normal, auch die bayerische FDP-Generalsekretärin Miriam Gruß: Sie begleitet Brüderle in den Saal — im roten Dirndl. Der FDP-Fraktionschef wirft sich vollmundig in die Attacken vor allem gegen die Grünen. Deren Fraktionschef Jürgen Trittin hat zu dieser Zeit von Landshut aus längst gegen Brüderle ausgeholt: Alle versuchten, nach Aschermittwoch ihren "inneren Schweinhund" zu überwinden. Die FDP dagegen mache ihn zu ihrem "Spitzenkandidaten".

Knapp 600 Kilometer vom Epizentrum des politischen Aschermittwochs entfernt tritt die Kanzlerin im mecklenburgischen Demmin auf. 1500 Menschen sind in die umgebaute Squash- und Tennishalle gekommen. "Zeit für deutliche Worte" hat die CDU den Auftritt betitelt. Doch im Nordosten geht es gemächlich zu: Während Merkels knapp 30-minütiger Rede stehen die Gäste nicht einmal von ihren Bänken auf. Es gibt auch kaum einen Grund dazu. Merkel spult ihr übliches Programm ab. Demmin wirkt wie das Gegenmodell zu der populistischen Show in Bayern. Nicht eine Attacke auf den politischen Gegner findet sich in Merkels Rede. Und doch gibt es Applaus und "Angie"-Rufe. Ein älterer Herr nickt zufrieden: "Das ist unsere Angela. Die braucht nicht groß rumzutönen."

(brö, may-)
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