Familien in der Corona-Krise Giffey warnt vor Zunahme von Gewalt gegen Kinder

Berlin · Die Familienministerin fürchtet Folgen der Corona-Krise. Beratungsangebote für betroffene Eltern und Kinder würden bereits doppelt so häufig nachgefragt. Auch 2019 stiegen die Fallzahlen, wie aus der aktuellen Polizeistatistik hervorgeht. Die Behörden registrierten mehr Kinderpornografie-Delikte.

 Franziska Giffey (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, spricht im Plenum in Bundestag (Archiv).

Franziska Giffey (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, spricht im Plenum in Bundestag (Archiv).

Foto: dpa/Michael Kappeler

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat vor einer Zunahme von Gewalt gegen Kinder in der Corona-Krise gewarnt. „Dass derzeit kein Anstieg der Fallzahlen zu Gewalt und Missbrauch in der Familie registriert wurde, bedeutet nicht, dass da nichts ist“, sagte Giffey unserer Redaktion. „Im Gegenteil: Es ist davon auszugehen, dass das Hellfeld verengt ist und sich das Dunkelfeld ausweitet.“

Zuvor hatte der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, bei der Vorstellung einer Sonderauswertung der polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS) vor mehr Gewaltfällen gegen Kinder in der Krise gewarnt – auch wenn die Polizei aktuell keine Zunahme registrieren könne. Gemeinsam mit dem Missbrauchsbeauftragten Johannes-Wilhelm Rörig verwies er am Dienstag darauf, dass Kinder derzeit weniger im Kontakt mit Menschen wie Erziehern, Lehrern oder Kinderärzten seien, an die sie sich normalerweise wenden könnten.

Auch deshalb setze sie sich als Familienministerin für schrittweise Lockerungen ein, sagte Giffey. „Wenn Kinder wieder in Kitas, Schulen und Jugendeinrichtungen gehen, wo sie Ansprechpartner außerhalb der Familie haben, wächst die Möglichkeit, auf Kinderschutzfälle aufmerksam zu werden.“ Giffey betonte, dass es einen drastischen Anstieg der Beratungstätigkeiten gegeben habe. Man wisse, dass die Corona-Krise für Familien mit Kindern unter 14 Jahren besonders belastend sei. „So hat sich seit Beginn der Krise die Inanspruchnahme von Online- und telefonischen Beratungsangeboten für Eltern und Kinder verdoppelt“, sagte Giffey. Sie kündigte mit dem neuen Jugendschutzgesetz, das derzeit in der Ressortabstimmung sei, mehr Schutz für Kinder und Jugendliche im Netz an. „Es sieht vor, dass alle großen interaktiven Internetdienste, die von Kindern und Jugendlichen wesentlich genutzt werden, ihre Angebote so gestalten, dass Minderjährige geschützt sind, insbesondere auch vor Cybergrooming – sexueller Anmache im Netz“, sagte Giffey. „Zum Beispiel durch sichere Voreinstellungen und ein funktionierendes Melde- und Beschwerdesystem.“

Ein solches Meldesystem halten auch Münch und Rörig für entscheidend im Kampf gegen Gewalt an Kindern. Dass dieser noch intensiviert werden muss, zeigen die Zahlen des vergangenen Jahres. Insgesamt 112 getötete Kinder verzeichnet die Polizeistatistik für das vergangene Jahr, im Durchschnitt zwei pro Woche. 87 Kinder wurden Opfer versuchter Mord- und Totschlagsdelikte, 2018 waren es 98 Fälle. Die Polizei registrierte zugleich 4000 Opfer von Misshandlungen, was dem Niveau der Vorjahre entspricht. Bei sexueller Gewalt gegen Kinder gab es hingegen einen Anstieg von 14.606 auf 15.936 Fälle. In 12.262 ermittelte die Polizei wegen kinderpornografischer Delikte, was im Vergleich zu 2016 einer Verdopplung entspricht.

In Nordrhein-Westfalen zählten die Behörden im vergangenen Jahr 2805 Missbrauchsfälle an Kindern, das entspricht dem Bundesdurchschnitt von 16 Fällen je 100.000 Einwohner. 2359 Fälle von Kinderpornografie weist die Statistik für NRW aus. BKA-Chef Münch appellierte an die Bevölkerung: „Jeder, der auf strafbare Handlungen an Kindern aufmerksam wird, sollte nicht zögern, Strafanzeige zu erstatten“, sagte er.

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