"Gezielte Stimmungsmache gegen das Hochschulgesetz"

Die NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze verteidigt ihren Reformentwurf. Die Bedenken der Wirtschaft wegen der Drittmittel hält sie für unbegründet.

Frau Schulze, haben Sie mit einem derart geballten Widerstand gegen Ihr Hochschulgesetz gerechnet?

Schulze Es war zu erwarten, dass nicht alle damit zufrieden sind. Vielen Studierenden geht der Entwurf nicht weit genug, den Rektoren geht er zu weit. Aber die Wortwahl der Kritiker ist schon massiv. Mich ärgert, dass Dinge behauptet werden, die so nicht stimmen. Zum Beispiel bei den Drittmitteln, also der externen Finanzierung von Forschungsprojekten. Im Entwurf steht, dass die Hochschulen das "in geeigneter Weise" veröffentlichen sollen. Dass es zu Beginn des Projekts passieren soll, wie behauptet wird, steht nirgends. Was und zu welchem Zeitpunkt sie veröffentlichen, entscheiden die Hochschulen selbst.

Die Wirtschaft droht, Forschungsaufträge in andere Bundesländer zu vergeben, falls das Gesetz so kommt.

Schulze Die Hochschulen veröffentlichen, was sie nach sorgfältiger Abwägung für richtig halten. Betriebsgeheimnisse bleiben gewahrt. Generell muss Transparenz herrschen. Schließlich kommen 80 Prozent der Drittmittel in Höhe von rund einer Milliarde Euro vom Steuerzahler. Eine Veröffentlichung ist doch pure Selbstverständlichkeit. Neu sind einheitliche Standards an allen Hochschulen.

Können Sie denn das Unbehagen der Unternehmen nachvollziehen?

Schulze Es steht nichts im Gesetz, das Unbehagen rechtfertigt. Die Entscheidung bleibt bei der Hochschule.

Wollen Sie etwa sagen, dass alles bloß ein großes Missverständnis ist?

Schulze Es handelt sich wohl eher um gezielte Stimmungsmache. Politischer Gegenwind ist selbstverständlich und ok. Enttäuschend ist, wenn erst oberflächlich oder gar nicht gelesen und dann falsch behauptet wird.

Warum mehr Transparenz? Das Ministerium bekommt doch schon Dutzende Berichte pro Jahr.

Schulze Die Unis müssen den testierten Jahresabschluss, der Rechenschaft über die Mittelverwendung gibt, eigentlich bis 30. Juni vorlegen. Wir haben die Frist bis 30. September verlängert. Ich habe bis heute noch nicht alle Berichte. Eine Hochschule hat mir sogar gesagt, ich könne sie ohnehin nicht zwingen.

Wollen Sie schärfere Sanktionen?

Schulze Ich könnte derzeit nur einen Staatskommissar einsetzen, der dann als Externer über die Mittelverwendung entscheidet. Das ist aber nicht sachgerecht. Wir müssen abgestufte Möglichkeiten schaffen. Wir müssen vor allem den Bürgerinnen und Bürgern immer wieder begründen, wofür wir Steuergeld einsetzen. Dafür müssen Land und Hochschulen wieder näher zusammenrücken. Noch einmal: Es geht mir nicht um eine Abrechnung. Ich will, dass wir eine vernünftige Planung bekommen. Die Interessen von 37 Hochschulen ergeben nicht automatisch das Landesinteresse.

Wo läuft es denn falsch?

Schulze Wir brauchen dringend mehr Menschen in Gesundheitsberufen, Ingenieure oder auch Berufsschullehrer. Für eine einzelne Uni ist es unattraktiv, sich etwa um Berufsschullehrer zu kümmern, weil es sich um relativ wenige Personen handelt.

Die Unis sagen, sie hätten gar nicht genug Nachfrage für die Plätze.

Schulze Eben. Weil es sich für die Unis nicht lohnt, dafür zu werben. Das Land kann besser für diese Fächer werben.

DETLEV HÜWEL UND FRANK VOLLMER STELLTEN DIE FRAGEN. INTERVIEW IN DER LANGFASSUNG UNTER WWW.RP-ONLINE.DE/POLITIK

(RP)
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