Berlin Gewerkschaft: Deutsche Polizei bei Krawallen überfordert

Berlin · Angesichts der Krawalle in Großbritannien ist in Deutschland eine Diskussion über die Sicherheitslage entbrannt. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, hält ähnliche Ausschreitungen auch in Deutschland für möglich. Wendt sagte, die Ausschreitungen seien das Ergebnis krimineller Energie und Verachtung gegenüber dem Staat sowie der sozialen Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsschichten. Diese "hochexplosive Mischung" sei auch in Deutschland vorhanden. Beispiele dafür seien die Krawalle zum 1. Mai in Berlin und Hamburg. Auch dort nutzten Randalierer moderne Kommunikationsmittel, um schnell die Orte der Demonstrationen zu wechseln. "Und wenn in Deutschland an mehreren Stellen gleichzeitig solche Konflikte aufbrächen, wäre die Polizei genauso überfordert wie in Großbritannien auch." Wendt beklagte, in den vergangenen zehn Jahren seien bei der Polizei 10 000 Planstellen weggefallen, 10 000 weitere sollten folgen. Der Personalabbau müsse ein Ende haben.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sieht derzeit dagegen keine Anzeichen dafür, dass es in deutschen Großstädten zu ähnlichen Krawallen kommen könnte. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte er, die soziale Integration in Deutschland sei sehr gut vorangekommen. Deutschland habe den Konsens erreicht, dass Gewalt gegen unbeteiligte Personen kein Mittel sei, mit dem man seine politischen oder sonstigen Ansichten durchsetze. "Diesen Konsens aufrechtzuerhalten und auf die Jugendlichen zu übertragen, bleibt die Erziehungsaufgabe unserer Gesellschaft, von allen Lehrern, Eltern und Vereinen."

Auch der Kriminologe Christian Pfeiffer sieht keine Parallelen zwischen England und Deutschland. England sei schon immer ein Land der sozialen Gegensätze gewesen: "Großbritannien hat eine ausgeprägte Gewinner-Verlierer-Kultur", sagte er der "Hannoverschen Neuen Presse".

Die Nationale Armutskonferenz bezeichnete die Ausschreitungen als alarmierend und verwies auf hohe Arbeitslosigkeit, verbreitete Armut und marode Infrastruktur als mögliche Ursachen. "Diesen verheerenden Kreislauf gibt es zumindest ansatzweise auf der ganzen Welt", sagte ein Sprecher.

Auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend warnte vor möglichen Krawallen in Deutschland. Bis zu zwei Millionen deutsche Jugendliche und junge Erwachsene seien arm, arbeitslos und perspektivlos. Daher müssten die Krawalle in England ein "Signalfeuer im Kampf gegen die Armut" sein.

(RP)
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