Kolumne: Gesellschaftskunde Wir sollten uns von Lob unabhängig machen

Viele Menschen identifizieren sich so mit ihrer Arbeit, dass ausbleibende Anerkennung sie kränkt. Dabei sollte man sich hüten, Dinge nur für fremde Anerkennung zu tun.

Wenn man in diesen Tagen das Treiben bei der Berlinale beobachtet, all die Stars betrachtet, die sich auf dem Roten Teppich im Blitzlicht drehen, und auf der anderen Seite die Fans, die an den Absperrungen darauf warten, dass eine der Berühmtheiten sich ihnen zuwendet, sie herauspickt aus der Menge, hervorhebt vor den Anderen - dann kann man sehen, was den Menschen im Tiefsten antreibt: die Sehnsucht nach Anerkennung, nach Beachtung. Der Mensch will geliebt werden. Zur Not auch oberflächlich.

Das ist der Schlüssel zu vielen Entwicklungen der Gegenwart. Wenn Menschen etwa in ihren Jobs immer mehr dazu übergehen, sich selbst auszubeuten. Wenn sie die Grenze zwischen Arbeit und Privatem nicht mehr ziehen, ihre Handys nicht ausschalten, ihre E-Mails nicht aus dem Blick lassen können, dann ist das nicht immer nur Zwang von oben. Oder der schlimme Einfluss der neuen Technik. Es ist zum Teil selbst auferlegt. Weil auch die Selbstbestätigung, die in jeder eingehenden E-Mail, jeder Minimalresonanz in den sozialen Netzwerken steckt, Menschen befriedigt. Zumindest eine gewisse Zeit.

Doch natürlich kann oberflächliches Bemerktwerden eine wirkliche Begegnungen zwischen Menschen nicht ersetzen. Und natürlich kann es bedenklich werden, seinen Selbstwert zu sehr aus der Resonanz bei anderen zu ziehen - also ständig auf Beachtung und Anerkennung zu hoffen, wo sie eigentlich nur Konvention sind. Wer das Lob vom Chef, die Wertschätzung der Kollegen zu wichtig nimmt, den trifft es auch härter, wenn sie ausbleiben.

Auch das ist ja eine Ursache von Burn-out: das Gefühl, nicht gesehen zu werden in dem, was man tut, sich zu verausgaben, ohne besonderen Dank dafür zu bekommen.

Doch um Aufopferung sollte es eben auch nicht gehen. Gelassen und meist auch leistungsstark sind doch meistens die Menschen, die sich über ihre Motivation klar sind, die aus innerem Antrieb handeln. Weil sie für notwendig halten, was sie tun, oder einfach nur Spaß daran haben. Solche Menschen schielen nicht auf Lob, arbeiten sich nicht tot, um als Märtyrer besondere Beachtung zu finden. Und sie verzweifeln auch nicht, wenn mal ein Tal kommt bei der Arbeit oder der Chef nun mal nicht so gerne lobt. Sich der eigenen Motivation klar zu sein, sich immer mal wieder zu fragen, warum man etwas tut, kann einem ein Gefühl von Autonomie verschaffen. Ein bisschen Freiheit in unfreier Zeit.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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