Kolumne: Gesellschaftskunde Warum manche Menschen Satire nicht ertragen

Satire ist ein wirksames Mittel gegen geistige Trägheit. Doch auf die Angegriffenen wirkt sie auch überheblich - und dann wird Kritik als Kränkung empfunden.

Menschen sehnen sich nach Miteinander, nach dem Zuhausesein in einer Gemeinschaft. Je mehr sie sich in der Welt da draußen als Einzelkämpfer empfinden oder gar als die ohnmächtigen Verlierer eines Systems, das von Eliten beherrscht wird, desto verlockender wird es für sie, sich einer Gruppe anzuschließen, in der nicht alles fraglich und unübersichtlich ist. Sie suchen nach Rückhalt in Gemeinschaften, in denen nicht alles erstritten werden muss, nicht beständig Konkurrenz herrscht, sondern stillschweigendes Einverständnis, simple Verbundenheit - wenn auch im Ressentiment.

Auch gegen diese Dumpfheit kämpft die Satire. Und sie ist vielleicht das wirksamste Mittel gegen die geistige Miefigkeit, weil Witz ohne Umschweife entlarvt. Und weil er sofort verstanden wird. Vor guten Pointen gibt es kein Entrinnen. Satire deckt Dummheit, Vorurteile, Heucheleien auf, zerrt sie hervor aus dem verdrucksten Unterbewussten, vernichtet sie, indem sie sie der Lächerlichkeit preisgibt. Die Satire ist die Urkraft der Aufklärung, unbestechlich macht sie vor keinem Thema, keiner Personengruppe halt. Darum hatte Tucholsky natürlich recht, als er der Satire zugestand, ihre Pfeile gegen alles und jeden richten zu dürfen. Satire kann gar nicht anders. Und wer sich getroffen fühlt, sollte darüber nachdenken, warum. Das ist heilsam.

Doch gerade weil die Satire so unbestechlich ist und so unaufhaltsam in ihrer Wirkung, haftet ihr auch etwas Überhebliches an. Nur der Überlegene kann sich lustig machen. Nur wer die Verhältnisse zu durchschauen meint, weiß seinen Witz treffend zu schärfen. Wenn Menschen sich oder ihre religiösen Überzeugungen von Satire verletzt fühlen, ist es in Wahrheit wohl oft das Gefühl, gedemütigt, belehrt, vorgeführt worden zu sein. Und für intellektuell Gedemütigte ist Gewalt dann schnell das einzige Mittel.

Schon Tucholsky hat vor dem gefährlichsten Missverständnis im Umgang mit Satire gewarnt: das Dargestellte mit dem Darstellenden zu verwechseln. Doch gerade wem die moderne Welt zu komplex geworden ist, wer nach einfachen Antworten sucht und sich der Macht einer fanatischen Gruppe anvertraut, der will dann eben nicht mehr unterscheiden.

Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist. Auch das hat Tucholsky festgestellt. Eigentlich geht es ihm um die bessere Welt. Mit der reinigenden Kraft des Witzes versucht er, für sie zu streiten.

Satiriker sind mutige Idealisten - traurige Zeiten, in denen sie Helden werden müssen.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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