Debattenkultur Reden über den Krieg
Meinung · Auch im privaten Umfeld erleben viele Menschen, dass es schwieriger wird, sachlich über den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu reden. Dabei könnten wir aus der Pandemie ein paar Dinge zum Umgang miteinander gelernt haben.
Es geht um Leben und Tod in der Ukraine, um das Leid von Menschen, die Opfer eines aggressiven Angriffskrieges wurden. Das macht es schwierig, abwägend über diesen Konflikt und die weitere Entwicklung zu sprechen. Überhaupt über diesen Krieg zu sprechen. Diese Erfahrung machen gerade nicht nur Politiker und Experten, sondern auch Menschen in ihrem privaten Umfeld. Wer für Verhandlungen argumentiert, wird bezichtigt, die Opfer in der Ukraine nicht genug zu sehen oder gar Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben. Wer für Waffenlieferungen plädiert, gerät in den Ruch, unkritisch der Logik der Militärs zu folgen und die Augen vor den Risiken zu verschließen. Ähnlich wie in Debatten in der Hochphase der Corona-Zeit fällt es vielen schwer auf der sachlichen Ebene zu bleiben. Gleich geht es um Moral, um „wir“ und „ihr“, um Haltung, Empathie, Geschichtsbewusstsein. Und kommen Diskussionen erst in Fahrt, fällt der Perspektivwechsel immer schwerer.
Dass die Debattenkultur in Deutschland durch die Pandemie gelitten hat, ist allerdings nur eine Wahrheit. Tatsächlich ist das Misstrauen gegenüber Politik und Medien in Teilen der Bevölkerung gewachsen und alte Vorwürfe sind nun schnell reaktiviert. Doch haben viele Menschen in den Coronadebatten auch Erfahrungen gesammelt. Manchmal kann es sinnvoll sein, unterschiedliche Einschätzungen auch unter engen Freunden einfach stehen zu lassen. Anzuerkennen, dass man die Wirklichkeit unterschiedlich sieht und unterschiedliche Dinge fürchtet. Das muss nicht gleich dazu führen, einander Böses zu unterstellen oder Kontakte abzubrechen.
Schon die Pandemie war ein Thema, bei dem es viele Unwägbarkeiten gab, lange Zeit „auf Sicht“ regiert und argumentiert wurde, Menschen Fehler machten. Auch in der Einschätzung der Lage in der Ukraine gibt es viele Ungewissheiten. Das macht die Debatten so schwierig. Doch wenn Gespräche im Privaten eskalieren, kann es helfen, sich genau darauf zu besinnen. Wenn wenig gewiss ist, sind andere Sichtweisen möglich. Und sollten in Betracht gezogen werden.