Gesellschaftskunde Warum auch der Alltag Anerkennung verdient

Nach den Ferien fällt es vielen Menschen schwer, sich in die Routinen des Alltags einzufinden. Dabei lohnt es, sie wohlwollend zu betrachten.

Nun hat uns also der Trott wieder. Die meisten Urlauber sind heimgekehrt. Nun gilt es wieder, den Kindern morgens die Schule schmackhaft zu machen. Die Erwachsenen arbeiten ihre Terminpläne ab, stecken spätestens beim Frühstück mit dem Kopf schon in den Abläufen des Tages.

Das ist die Drohkulisse, die letzten Urlaubstagen stets diese Wehmut, diese sanfte Dosis Unwillen einimpft. Denn das Schlimme am Trott ist die Erwartbarkeit. Tage, die einander ähneln, vergehen schneller als die ungeplanten, deren Verlauf das Leben selbst bestimmt. Darum fühlen Menschen im Trott, wie die Zeit rast, wie sie in der Mühle stecken, die stur dem eigenen Rhythmus folgt. Und nicht anhält.

Dagegen verordnen immer mehr Ratgeber das Innehalten, empfehlen Techniken für die kleinen Ausflüchte im Alltag, besingen die Segnungen der Muße. Doch all das sind nur Empfehlungen zur Wiedervorlage, gute Vorsätze, die kaum in der Welt schon wieder gebrochen werden. So verstärken diese Tipps bei vielen Menschen das Gefühl, ihren Routinen ausgeliefert zu sein, nie Zeit zu haben für das, was zählt und auch noch selbst schuld zu sein, wenn sie den Trott nicht durchbrechen.

Statt also mehr oder weniger erfolgreich um Mini-Auszeiten vom Alltag zu ringen, ist es vielleicht sinnvoller, sich diesen Alltag genauer anzusehen, und zu entdecken, was darin Anerkennung verdient. Ist wirklich alles so nervig, wie es im Fluss der Tage erscheint? Gibt es nicht viele unbeachtete Momente, die fehlen würden? Anerkennen bedeutet ja: Bedeutung zumessen, wertschätzen — sehen, was ist. Das soll nicht heißen, dass Menschen, die in entfremdeten Strukturen arbeiten, sich diese Entfremdung schönreden sollten. Es geht darum, in den Abläufen des Tages das Bedeutsame nicht zu übersehen. Darauf zu achten, was einem Momente der Zufriedenheit schenkt oder anregende Begegnungen. Oft hat man es ja selbst in der Hand, ob ein Gespräch an der Oberfläche verplätschert oder in etwas mehr Tiefgang führt. Man muss das auch wollen.

Bedeutung zumessen ist auch ein wirksames Mittel gegen Selbstmitleid. Gerade der tägliche Stress, die wiederkehrende Überforderung führen dazu, dass Leute sich einrichten in einem Gefühl der Hilflosigkeit. Dann bleibt nur das Jammern.

Der Mensch ist sicher nicht allein seines Glückes Schmied. Aber gerade in den zähen ersten Tagen nach dem Urlaub tut es gut, sich auf die wertvollen Momente im Alltag zu besinnen. Und wenn man dann die Fotos von den Ferien betrachtet, kann man sich fröhlich den Wonnen der Wehmut hingeben.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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