Rückzug ins Private Geht mich doch nichts an...

Meinung | Düsseldorf · Das Gefühl, Teil der Gesellschaft zu sein, ist nicht selbstverständlich vorhanden. Aber es ist notwendig, damit sich die Dinge positiv entwickeln – für möglichst viele.

 Rückzug ins Privatvergnügen, das Handy liefert die Zerstreuung.

Rückzug ins Privatvergnügen, das Handy liefert die Zerstreuung.

Foto: dpa/Tobias Hase

Die Jugend in Deutschland ist nicht unpolitisch. Das zeigen etwa die Proteste gegen Klimawandel, denen eben nicht nach wenigen Wochen die Puste ausging. Das Thema betrifft die junge Generation besonders, und sie hat begriffen, dass sie Aufmerksamkeit erzeugen muss, damit sich etwas bewegt.

Sich als Teil von etwas zu empfinden, das wir Gesellschaft nennen, ist Voraussetzung dafür, sich für Dinge verantwortlich zu fühlen, die alle betreffen. Und dafür aktiv zu werden. Doch gibt es auch die gegenteilige Entwicklung, den Rückzug ins Private, ins Eigene, in die Übersichtlichkeit. Das ist verständlich in Zeiten, die wirr wirken und von Geschehnissen dominiert werden, die jenseits der Macht gesellschaftlicher Gruppen liegen. Und darum Ohnmachtsgefühle wecken. Allerdings ist der Rückzug manchmal auch verbunden mit einer Ich-Mentalität, die dazu führt, dass Menschen bei allen Themen immer nur individuelle Vorteile kalkulieren. Der Rest interessiert nicht. Der Rest, das sind irgendwelche anderen, mit denen man sich nicht verbunden fühlt. Mir doch egal.

Allerdings bringt es wenig, den Verfall des Gemeinschaftsempfindens zu beklagen und die Ursachen nur beim Einzelnen zu suchen. Das Gefühl von Teilhabe setzt das Erlebnis von Teilhabe voraus. Wer nie spürt, dass es jenseits von Freunden und Familie ein größeres Ganzes gibt, in das man sich einbringen kann, für den bleibt Gesellschaft eine abstrakte Größe. Etwas, das einen nichts angeht. Das einem „nichts bringt“.

Dabei ist Deutschland ein Land mit viel Hilfsbereitschaft, wie gerade nach dem Hochwasser zu erleben war. Da schlummert ein großes Potenzial an Mitempfinden und Selbstlosigkeit. Doch abstrakte Ziele wie Klimarettung oder Pandemiebekämpfung tun sich schwerer. Auch da ist die Unterstützung jedes einzelnen gefragt, jedoch ohne das konkrete Erlebnis, durch sein Handeln direkt etwas zu bewirken. Stattdessen geht es um Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft all der Unbekannten, mit denen man lebt. Schwierig, aber nötig.

Unsere Autorin ist Redakteurin des Ressorts Politik/Meinung. Sie wechselt sich hier mit unserem stellvertretenden Chefredakteur Horst Thoren ab.

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