Vatertag 2022 Jenseits der Bollerwagen

Meinung | Düsseldorf · Alte Rituale zum Vatertag wie die Sauftour mit den besten Kumpels sind weniger geworden oder sogar verschwunden. Feste Rollenzuschreibungen auch. Was das mit Vätern macht. Und mit Müttern.

Bollerwagentouren am Vatertag haben heute oft eine ironische Note.

Bollerwagentouren am Vatertag haben heute oft eine ironische Note.

Foto: dpa/Daniel Karmann

Wann ist ein Mann ein Mann? Das fragte Herbert Grönemeyer 1984 in seiner ironischen „Männer“-Hymne, als die Vorstellungen von Männlichkeit längst ins Rutschen geraten waren und Klischees, wie sie im Lied durchgespult werden, kaum noch Halt boten. Wann ist ein Vater ein Vater? kann man heute genauso fragen, denn auch diese Rollenzuschreibung ist im Fluss. Was man etwa daran ablesen kann, dass am heutigen Feiertag Christi Himmelfahrt viel seltener der Bollerwagen gepackt wird zur Saufkumpel-Fluchttour weg von den Familien. Was nicht heißt, dass Männer nicht bisweilen flüchten. Sie verabreden sich dann eben zum Fußball. Und natürlich haben auch Mütter solche Strategien. Weil manchmal eben ein bisschen Abstand nötig ist von dem sozialen Gefüge, in dem man lebt.

Dass der Bollerwagen seltener rollt, zeigt aber, dass Väter heute anders sind. Dass andere Fragen sie bewegen. Wie sie im Alltag ihrer Kinder vorkommen zum Beispiel. Wie sie gute, emotionale Begleiter sein können und was eigentlich ihre Aufgabe ist: Vorbild, Partner, Richtungsgeber sein oder doch Kumpel, Raufkollege, Behüter? Oder alles ein bisschen? Heiner Fischer, der als Vaterberater arbeitet, findet, dass diese Reflexion schon das Wichtigste ist. Denn es gehe nicht mehr darum, ein emanzipierter Vater zu sein, der auch den Kinderwagen schiebt, sondern ein feministischer Vater. Der macht keine Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Aufgaben in der Familie, er traut sich alles zu, weist nichts zurück, gestaltet seine Rolle neu – und hinterfragt sie immer wieder. Dafür brauche es Komplizen, sagt Fischer. Frauen zum Beispiel, die Aufgaben abgeben können, die Männern auch Fehler zugestehen, die Vertrauen schenken. Oder Chefs, die verstehen, dass Vaterschaft keine tolle Erfahrung für zwei Monate Elternzeit ist, sondern eine Lebensaufgabe, die Raum braucht. Und Menschen verändert.

Wann ist ein Vater ein guter Vater? Es gibt keine einfachen Antworten mehr auf diese Frage. Das macht die Orientierung schwieriger, aber darin liegt auch eine Befreiung von Klischees, Erwartungen, Einengungen. Davon können auch Mütter ein Lied singen.

Unsere Autorin ist Redakteurin des Ressorts Politik/Meinung. Sie wechselt sich hier mit unserem stellvertretenden Chefredakteur Horst Thoren ab.

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