Gesellschaftskunde Im Frust vereint

Meinung | Düsseldorf · Zu Corona scheint alles gesagt, darum wirken die Positionen so verhärtet. Zeit, sich darauf zu besinnen, dass nicht die anderen die Zumutung sind, sondern die Pandemie.

Es wird viel diskutiert, oft auch gestritten: Die Corona-Situation kann für Freundschaften und Familien eine Belastungsprobe sein.

Es wird viel diskutiert, oft auch gestritten: Die Corona-Situation kann für Freundschaften und Familien eine Belastungsprobe sein.

Foto: dpa-tmn/Klaus-Dietmar Gabbert

Nun haben es alle irgendwie kommen sehen, hören wollte es niemand und alles, was der Eindämmung hätte dienen können, kommt zu spät. Der Corona-Winter trifft auf ein ermattetes Land, das selbst die Bildung der neuen Regierung nur noch unter halb hochgezogenen Augenlidern verfolgt. Ging ja alles hinter verschlossenen Türen los, nur der Unmut dringt nach draußen, und davon gibt es im öffentlichen Raum genug. So schwindet das Depot an Geduld, das es braucht, um gut miteinander umzugehen. Denn das setzt voraus, dass Menschen die  anderen noch hören und verstehen wollen. Aber zu Corona und den Schutzmaßnahmen scheint ja so lange schon alles gesagt, zum Impfen auch, alle Argumente aufgezählt, alle Appelle verhallt. Doch in einer Pandemie, das hat sich nun schon so oft gezeigt, zählen Befindlichkeiten wenig. Nur mit Vernunft, Besonnenheit, gemeinsamem Handeln ist ihr beizukommen. Und genau da hapert es mehr und mehr.

Was bleibt da noch? Was kann verbinden – die Ermüdeten und die Wütenden, die Überzeugten, die Pragmatiker, die Befürchter, die Leidtragenden, die Krakeler? Vielleicht genau das: der gemeinsame Frust, die geteilte Erschöpfung, der grassierende Überdruss. Keiner wollte so einen Winter, und es gibt viel gerechtfertigte Kritik an schlechter Kommunikation, an falschen  Signalen, an Politikern, die als Besieger einer Pandemie vom Feld gehen wollten, bevor das Spiel zu Ende ist. Doch dieser Winter wird leichter zu überstehen sein, wenn es mehr um geteilte Gefühle geht, weniger um einsames Rechthabenwollen.

Das fällt bei Corona so schwer, weil sich die Standpunkte, egal wo sie liegen, inzwischen so verfestigt haben. Jeder hört nur noch, was er hören will in all den Talkshows mit Experten. Jeder hat unzählige Diskussionen hinter sich und meint zu wissen, was versäumt wurde, was geschehen muss. Dabei ist eben wenig gewiss, und eigentlich sollte das den Zusammenhalt fördern, weil man Ungewissheit gemeinsam besser standhält. Vielleicht ist es also Zeit, sich zurückzunehmen, eine Weile, damit es wieder mehr Raum für alle gibt.

Unsere Autorin ist Redakteurin des Ressorts Politik/Meinung. Sie wechselt sich hier mit unserem stellvertretenden Chefredakteur Horst Thoren ab.

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