Kolumne Gesellschaftskunde Sich dem fordernden Ego widersetzen

Düsseldorf · Kleine Vorsätze zu fassen und ein wenig Verzicht zu üben, verändert nicht die Welt. Trotzdem ist dieses Bemühen nicht gering zu achten.

Unsere Autorin Dorothee Krings.

Unsere Autorin Dorothee Krings.

Foto: Krings

Nun ist der zweite Moment im Jahreslauf gekommen, da Menschen Vorsätze fassen. Diesmal nicht für das ganze Jahr, sondern für einen Zeitraum von 40 Tagen. Die Fastenzeit ist zum Anlass der Selbstbeobachtung und des Experiments an sich selbst geworden. Darum entscheiden sich Menschen, die Fastenwochen einzuhalten, auch wenn sie die religiösen Hintergründe kaum noch interessieren. Auf Klassiker wie Süßigkeiten oder Alkohol zu verzichten oder sich eine Zeit lang der moderneren Suchtmittel Fernsehen, Handy, Facebook zu enthalten, verspricht neue Erfahrungen mit sich selbst.

Die meisten Fastenvorsätze laufen auf sachte Verhaltensänderungen hinaus. Die meisten Menschen, die sich für die Fastenzeit entscheiden, behandeln diese Wochen als eine Art Korrektiv. Sie verändern etwas in ihrem Leben, das ihnen kritikwürdig erscheint, etwa ihren Fleischkonsum, und probieren aus, wie sich das Leben ohne anfühlt. Oder sie fordern sich heraus, liebgewonnene Gewohnheiten zu durchbrechen, Verzicht zu üben, ein bisschen mit dem eigenen Wollen zu ringen. In der Alles-ist-möglich-Kultur wird das Ego ja immer fordernder. Und es kann wohltuend sein, es selbst in die Schranken zu weisen. Oft spürt man dann gar keinen Mangel, sondern Erleichterung. Freiheit. Mit ernsthaftem Fasten hat das wenig zu tun. Der Verzicht im Alltag ist noch kein Gang in die Wüste, keine radikale Konfrontation mit äußerer und innerer Leere. Dazu muss man tatsächlich seinen Alltag verlassen.

Doch es ist auch einfach, das schlichtere Vorsätzefassen, das vielleicht nur darauf zielt, weniger Schokolade zu essen, als hilflose Geste der Wohlstandserschöpften zu belächeln. Es sein zu lassen, ist immer der bequemste Weg.

Allein zu überlegen, welche Gewohnheiten und Verhaltensweisen im eigenen Leben wuchern und wie schwer es fallen würde, sie zu verändern, ist ja schon erhellend. Dass Konsum nicht glücklich macht, haben viele Menschen längst begriffen. Die Fastenzeit ist eine Chance, mit wacherem Blick auf das eigene Verhalten zu blicken.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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