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Kolumne: Gesellschaftskunde Rastlosigkeit als gefährliches Grundprinzip

Viele Menschen fühlen sich überlastet und versuchen, dem mit Entspannungstechniken entgegenzuwirken. Doch Stress ist kein Problem, das dann und wann auftritt, sondern Symptom in einem System, das ganz auf Unruhe fußt.

Nun ist das Jahr bereits so alt, dass sich die ersten nach einer Auszeit sehnen, in die Natur streben oder wenigstens den Osterurlaub planen, weil das immerhin ein süßes Bild der Ruhe an den Horizont malt. Nun ist schon viel nachgedacht worden über Beschleunigung und Faktoren, die den Alltag verdichten, dem Einzelnen das Gefühl geben, immer gehetzt zu sein, nie anzukommen in einem Zustand von Zufriedenheit. Das Problem scheint erkannt und man kann ihm begegnen: Yoga, Meditation, Laufen oder mal ein Glas Wein mit Freunden - die Methoden sind zahlreich, jeder hat so seine Strategie.

Allerdings sind all das nur oberflächliche Reaktionen auf ein Phänomen, das unsere Zeit eben nicht befallen hat wie eine Krankheit, die kommt und geht, sondern sich unserem Denken und Fühlen eingeschrieben hat. In Wahrheit leiden die meisten Menschen zwar unter dem, was sie Stress nennen, glauben aber, dass es Fortschritt nur durch Veränderung, nur durch das Streben nach neuen Lösungen, innovativen Produkten, schlaue Dienstleistungen geben kann. Sie akzeptieren also die Unruhe als Antrieb der Moderne, als Motor für Entdeckertum, Wachstum, Wohlstand. Stress ist also nicht der Störfall, ein schädlicher Zustand, in den man ab und zu hineingerät und dem man mit gelegentlichen Fluchten in Entspannungskurse, Kurzurlaube, Spaziergänge begegnen könnte. Stress ist das, was an die Oberfläche tritt in einer Gesellschaft, die der Ruhe zutiefst misstraut, weil sie Ruhe insgeheim mit Stillstand und Stillstand mit wirtschaftlichem Niedergang gleichstellt. Der Konsumismus lebt ja davon, dass Leute sich nach Neuem sehnen, neue Produkte, Trends, Looks ausprobieren wollen. Doch damit willigen sie auch ein in die Rastlosigkeit, wie der Philosoph Ralf Konersmann in seinem Buch "Die Unruhe der Welt" ausführt. Die meisten Menschen machen sich allerdings nicht bewusst, dass sie das ewige Streben nach Veränderung, nach einem anderen, besseren Morgen als Triebfeder ihres Seins akzeptiert haben. Sie leiden ja an den Symptomen der Überlastung, versuchen, Ruhe in ihren Alltag und den ihrer Familie zu bringen. Doch das kann immer nur kurzfristig gelingen, solange man nicht beginnt, die Unrast als Grundprinzip der Gegenwart misstrauisch zu beäugen und wachsam darauf zu achten, wo Veränderung gepredigt wird, nur weil mit Neuheiten Geld zu verdienen ist. Solche Trends kann man auch mal vorüberziehen lassen. Das ist dann kein Verzicht, sondern ein Akt wiedergewonnener Souveränität. Kann auch sehr entspannen.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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