Kolumne: Gesellschaftskunde Ironie als Lebenshaltung ist zweischneidig

Düsseldorf · Hinter Ironie kann sich Unsicherheit verbergen, mangelndes Rückgrat. Aber sie ist auch ein Zeichen von Freiheit. Alles kann, nichts muss.

Kolumne: Gesellschaftskunde: Ironie als Lebenshaltung ist zweischneidig
Foto: Krings

Vielleicht hat es mit der Unbekümmertheit der vergangenen Jahre zu tun, dass Ironie ein Lebensstil geworden ist. Man schaut miese Shows wie "Der Bachelor" oder "Das Dschungelcamp", stellt sich Nierentische mit schwarzen Intarsien in die Wohnung, trägt Pilotenbrillen, tanzt zu billigen Schlagern, obwohl man sich über die Qualität keine Illusionen macht. Alles ist ironisches Zitat, ist Überhöhung von Trash, ist unernst gemeint.

Denn das erscheint als die souveränste Art, mit der Flüchtigkeit der modernen Welt umzugehen, seine Überlegenheit zu beweisen und seine Deutungshoheit zu bewahren. Was schön, richtig, angesagt ist, entscheidet das Individuum, doch es legt sich nicht fest, tritt ins Spiegelkabinett der ironischen Brechungen, entzieht sich dem Urteil der anderen — und damit auch der Gefahr der Widerlegung. Lieber tänzeln als in die Knie gehen.

Als Ironiker oder gar Sarkast muss man das Leben als Spiel betrachten, als ein Jonglieren mit Zeichen, bei dem man sich geschickt anstellen kann oder eher plump. Der Ironiker ist ein Virtuoser in diesem Spiel, er deutet an, meint es anders, kann den Kopf aus der Schlinge ziehen, denn vielleicht war ja das Gegenteil gemeint. Vielleicht auch nicht.

Diese dauernde Brechung, dieses Verweigern von Haltung, kann einem auf die Nerven gehen. Vor allem, wenn sich dahinter Unsicherheit verbirgt, mangelndes Rückgrat. Doch Ironie ist auch ein Zeichen von Freiheit, von Unbekümmertheit, alles kann, nichts muss.

Seit der Terror auch in Europa wütet, ist ein Teil dieser Leichtigkeit verloren gegangen. Leute meinen wieder, was sie sagen, wollen Zeichen setzen, werden gar pathetisch. Sie legen sich fest, wollen eindeutig verstanden werden, etwa in ihrer Trauer um Terroropfer oder ihrer Wut auf die Täter. Anteilnahme, Beileid, Appelle vertragen keine Ironie, sie sind nicht spielerisch gemeint, sondern unmissverständlich. Man kann darin eine notwendige Ernüchterung sehen, eine Rückkehr zu Haltung und echtem Meinungsstreit. Manchmal führt die Eindeutigkeit von Positionen aber zu Engstirnigkeit und Verbissenheit. Man hält abweichende Positionen nicht mehr für möglich, verliert die Bereitschaft, sich auch infrage zu stellen, wenn es unbequem wird. Ironie in ihrer frechen, angreifenden Form kann vor ideologischer Verhärtung bewahren. Sie ist eine Spielart des Humors, die zum Selberdenken anregen will. Ironie als Stilmittel einsetzen zu können, ist Begabung. Auf die Dosis kommt es an.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(dok)
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