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Kolumne: Gesellschaftskunde Beleidigtsein als politisches Mittel

Düsseldorf · Viele Menschen ziehen sich in die Schmollecke zurück, wenn Diskussionen anstrengend werden. Auch auf politischer Bühne ist das immer öfter zu erleben.

Kolumne: Gesellschaftskunde: Beleidigtsein als politisches Mittel
Foto: Krings

Es ist eine simple Art, sich einen Konflikt vom Hals zu schaffen: Arme verschränken, Kommunikation einstellen, beleidigt sein. Wer auf Angriffe so reagiert, muss sich nicht mehr auseinandersetzen; er macht aus einem Streit um eine Sache eine Frage der persönlichen Ehre - und sich selbst zum Opfer. Das ist bequem: Die Beleidigten müssen nicht mehr weiterdenken, Worte finden, ihre Position verteidigen. Sie sind nur noch, was sie sind: gekränkt.

Im Prinzip ist das kindisches Verhalten. Doch ist das Beleidigtsein als Wesenszug wie als Strategie in Konflikten ein gängiges Verhaltensmuster geworden, ein Symptom der Zeit. Man kann es im Alltag beobachten, unter Kindern und Jugendlichen etwa, die nur noch wenig Energie für Auseinandersetzungen aufwenden, Konflikte sofort auf die eigene Person beziehen und sich schnell in die Schmollecke zurückziehen. Daraus wollen sie dann hervorgelockt und getröstet werden. Beleidigtsein ist ein Ruf um Aufmerksamkeit. Achtung und Zuneigung werden eingefordert. Oft steckt dahinter wenig Selbstbewusstsein.

Doch auch auf politischer Bühne hat die beleidigte Reaktion zugenommen. Gerade die neuen Egomanen, die in vielen Ländern nach der Macht greifen oder bereits regieren, lassen Auseinandersetzungen, die man auch sachlich führen könnte, emotional eskalieren. Der twitternde US-Präsident liefert viele Beispiele dafür. Und der türkische Präsident setzt gerade auch alles daran, Deutschland in eine Position des Beleidigtseins zu zwingen.

Das passt zu anderen Symptomen der unreifen Auseinandersetzung derzeit. Etwa Lügen und Gerüchte in die Welt zu setzen, damit sie bei Anhängern auf fruchtbaren Boden fallen und das politische Klima verändern. Beleidigtsein als politisches Drohmittel ist auch eine Form, vernünftige Diskussionen zu unterlaufen. Es geht nicht um das bessere Argument, sondern um Egos, die Respekt einfordern. Meist, weil sie ihn natürlich nicht besitzen.

Es ist schwer, mit Beleidigten umzugehen, weil sie so schwer von der eigenen Person absehen können. Es verlangt Langmut und die Fähigkeit, Beleidigungen seinerseits ins Leere laufen zu lassen. Wahre Größe also.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(dok)
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