Kolumne: Gesellschaftskunde Auf die guten Erfahrungen konzentrieren

Allen Anschlägen und Pöbeleien zum Trotz: Viele Menschen helfen in den Flüchtlingsheimen. Weil Anteilnahme und Begegnung beglückende Erfahrungen sind - für beide Seiten.

W ir stehen erst am Anfang der Flüchtlingsbewegung. Das sagen die Experten in diesen Tagen und zählen auf, dass noch viel mehr Menschen aus ihrer Heimat fliehen werden, weil der Klimawandel ganze Regionen unbewohnbar machen wird. Und Fanatismus zunimmt. Und die Korruption weltweit Menschen jede Perspektive nimmt. Das alles ist wahr. Doch die Aufzählung macht nichts besser. Sie verstärkt nur ein Gefühl von Ohnmacht, Bedrohung, Überforderung und kehrt nichts Gutes in den Menschen hervor.

Dabei zeigt sich derzeit auch, dass viele hierzulande anfangen, über ihren Reichtum nachzudenken, über ihre Privilegien und darüber, was Teilen wirklich heißt. Natürlich gibt es Wohltäter, die jetzt olle Klamotten zu den Flüchtlingsheimen schleppen und nur abgeben, was sie eh nicht mehr haben wollten. Dabei heißt Teilen doch, etwas weiterzugeben, an dem einem liegt. Nur dann ist Abgeben kein Abladen. Nur dann macht Teilen reicher.

Doch diese Erfahrung machen Menschen eben auch: Sie nehmen Fremde auf, geben Deutschunterricht, engagieren sich in Verteilstellen, Suppenküchen, Freizeitstätten oder nehmen mal teil, wenn eine Gemeinde zum Kennenlernen bei Kaffee und Kuchen einlädt. Sie schenken etwas her, das heute besonders kostbar ist: ihre Zeit.

Wer mit Helfern spricht, wird meist davon hören, wie sehr ihr Einsatz ihren Blick verändert. Wie er sie herausfordert, aber auch beschenkt. Denn Menschen nehmen einander immer in Rastern wahr. Das reduziert die Komplexität der Verhältnisse und ist notwendig zum Überleben. Doch manchmal verstellt es eben auch den Blick und macht uns empfänglich für Stereotype und üble Nachsage. Nur Begegnung kann da helfen. Für die meisten ist es eine beglückende Erfahrung, wenn sie feststellen, wie viele Ähnlichkeiten es zwischen Menschen trotz aller kulturellen Unterschiede gibt. Weil jeder Sorgen um die Zukunft hat und Freude am Zusammensein.

Es ist wahr, wir stehen erst am Anfang. Und wir wollen noch nicht wirklich sehen, was von uns verlangt sein wird, wenn wir es ernst meinen mit unseren Werten. Aber wir beginnen, Erfahrungen damit zu sammeln. Und sollten uns auf die positiven konzentrieren.

Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort