Erzbistum Freiburg Geschiedene in kirchlicher Grauzone

Freiburg · Das Erzbistum Freiburg geht auf wiederverheiratete Geschiedene zu. Das Echo ist zwiespältig – zu Recht: Der Vorstoß ist eine Ermutigung, aber er ist auch voreilig, denn er macht die katholische Kirche angreifbar.

Das Erzbistum Freiburg geht auf wiederverheiratete Geschiedene zu. Das Echo ist zwiespältig — zu Recht: Der Vorstoß ist eine Ermutigung, aber er ist auch voreilig, denn er macht die katholische Kirche angreifbar.

Und sie bewegt sich doch, die katholische Kirche in Deutschland — mögen zumindest einige bei der Nachricht vom Montag gedacht haben: Im Erzbistum Freiburg, so heißt es in einer vom Seelsorgeamt verantworteten Handreichung, könnte es in Einzelfällen möglich sein, wiederverheirateten Katholiken sowohl den Zugang zu kirchlichen Ämtern als auch zu den Sakramenten zu ermöglichen. Das ist forscher gesagt als getan. Dementsprechend munter war die Zustimmung dazu aus den auf beherzten Kirchenumbau abonnierten Kreisen wie der Volksbewegung "Wir sind Kirche". Zukunftsweisend sei dieser Schritt, hieß es gestern, und eine Ermutigung auch für andere Diözesen.

Aber es bleibt zu fragen, ob diese Art von Ermutigung schon der Weisheit letzter Schluss ist. Und ob nur die eigene Courage nötig ist, sich kurzerhand über eine theologisch komplexe Debatte hinwegzusetzen und quasi per Broschüre zu erklären, was Sache ist. Die "Sache" ist in diesem Fall die Ehe, im römisch-katholischen Glaubensverständnis eins der sieben Sakramente. Das Sakrament ist ein Heilszeichen, es ist darum unverletzlich und schafft seinen Sinn und seinen Wert aus sich selbst heraus. Im Sakrament ist Gott gegenwärtig; darum ist das Sakrament auch eine Art Begegnungsort von Gott und Mensch. Das Sakrament ist also ein Mysterium; in ihm liegt immer ein Geheimnis verborgen.

Dieses Bedeutungsumfeld gilt es neben allem aktuellen Reformeifer auch zu bedenken. Nun ist das Sakrament aber ein theologisch komplexer Glaubensvollzug. Und es gibt in der Weltkirche diverse Debatten, wie gerade eine barmherzige Kirche auf geschiedene Katholiken zugehen kann. Und ob eine Gnade trotz der Sakramentsverletzung denkbar und machbar ist. Solche Prozesse sind enorm wichtig: Es sind immer auch Selbstvergewisserungen kirchlicher Lebenspraxis.

Der Mut in Freiburg ist aus dem Dialogprozess erwachsen, der seit geraumer Zeit gesamtdeutsch sowie in allen Diözesen geführt wird. Eine Einzelentscheidung — die übrigens vom Erzbischof Robert Zollitsch nicht unterschrieben ist — macht die katholische Kirche in Deutschland auf zweifache Weise angreifbar. Man könnte ihr vorwerfen, es sowohl im Umgang mit den Sakramenten als auch in der Führung eines offenen Dialogprozesses an Verantwortung fehlen zu lassen. Vor diesem Hintergrund war der Freiburger Vorstoß weder mutig noch zukunftsweisend; er war voreilig und ein Alleingang.

Dementsprechend zurückhaltend war gestern auch der Kommentar aus dem Vatikan: Es gebe keine Neuigkeiten in Sachen wiederverheiratete Geschiedene, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi. Zudem handele es sich nicht um ein offizielles bischöfliches Dokument, sondern lediglich um ein Schreiben des Seelsorgeamtes. Auch Kurienkardinal Velasio De Paolis äußerte sich befremdet: Es sei "erstaunlich", dass eine Initiative dieser Art von einer großen und bedeutenden Diözese wie Freiburg ausgehe, die zudem vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz geleitet werde. Wiederverheiratete seien in einer Situation, die dem göttlichen Gesetz über die Ehe widerspreche, so De Paolis. Daher sei es "evident", dass ein Priester ihnen die Kommunion verweigern müsse.

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sieht in den neuen Leitlinien einen "Beitrag zu einem nicht abgeschlossenen Diskussionsprozess" in der Deutschen Bischofskonferenz. Über seinen Sprecher ließ er verlauten, dass es Ihm darum gehe, für dieses "komplexe Problem" eine "Lösung im Einklang mit der Weltkirche" zu finden.

Die Erzdiözese Freiburg selbst reagierte zurückhaltend. Es sei "eine Handreichung unter vielen, die für Einzelfälle gilt", sagte ein Sprecher. Das neue Dokument beschreibe nicht, dass die Sakramente jetzt generell für wiederverheiratete Geschiedene freigegeben würden, unterstrich er. "Wir wollen deutlich machen, dass uns Wiederverheiratete und Geschiedene willkommen sind und sie ganz zur Kirche gehören", sagt der für die Seelsorge im Freiburger Erzbistum verantwortliche Domkapitular Andreas Möhrle.

Zurückhaltend äußerte sich der Würzburger Kirchenrechtler Stefan Rambacher. Die Handreichung "spricht nicht von einer allgemeinen oder unterschiedslosen Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten", betonte er. Der Jurist ist oberster Kirchenrichter im Bistum Würzburg.

Nach den Worten des Kirchenrechtlers setzt das Freiburger Papier eine Linie fort, "die schon bisher für die pastorale Praxis der Kirche bestimmend war". Schon 1981 habe Papst Johannes Paul II. die Seelsorger dazu aufgefordert, wiederverheirateten Geschiedenen beizustehen und ihnen zu helfen, "ihren Platz in der Kirche und Gemeinde zu finden". Leider sei dies in der Öffentlichkeit nicht angemessen wahrgenommen worden.

Aber es gibt durchaus Wohlwollen für das Freiburger Papier: So hat der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode, Vorsitzender der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz, die Freiburger Seelsorge-Leitlinien begrüßt. Die deutschen Bischöfe würden "sich eingehend damit befassen und sie in die weiteren Überlegungen einbeziehen", sagte er. Auch der Freiburger katholische Moraltheologe Eberhard Schockenhoff sieht in den neuen Seelsorgerichtlinien einen bedeutenden Schritt im katholischen Reformprozess.

Zu einem ermutigenden Signal aber dürfte das Papier aus Freiburg erst dann werden, wenn es auf einer Breite und in einer Tiefe diskutiert wird, die einem Sakrament, dem Kern des gelebten Glaubens, entspricht.

(RP)
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