Gericht kippt Kita-Finanzierung

Die Regelung der früheren schwarz-gelben Landesregierung zum Ausbau der Kinder-Betreuung ist mit der Landesverfassung nicht vereinbar. Das hat der Verfassungsgerichtshof NRW entschieden. Die Kommunen rechnen jetzt mit Entlastungen in Millionenhöhe.

Burkhard Mast-Weisz ist Stadtdirektor in Remscheid. Gestern fuhr er nach Münster, um dabei zu sein, als das Landesverfassungsgericht sein Urteil zur Finanzierung der Kinderbetreuung verkündete. "Ein guter Tag", freute sich Mast-Weisz nach dem Richterspruch zugunsten der Kommunen. "Remscheid bleiben nun Mehrausgaben in Höhe von mehreren Millionen Euro pro Jahr erspart", erklärt der Spitzenbeamte.

Städte und Kreise in NRW haben nach dem Urteil der Verfassungsrichter Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich des Landes für zusätzliche Kosten durch den Ausbau von Kindertagesstätten für unter Dreijährige (U3). Die bisherigen landesgesetzlichen Regelungen zum Kinder- und Jugendhilfegesetz verletzten das Recht auf kommunale Selbstverwaltung. Die Richter gaben damit den Verfassungsbeschwerden von 17 kreisfreien Städten (Bielefeld, Bochum, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Gelsenkirchen, Herne, Köln, Krefeld, Leverkusen, Mönchengladbach, Mülheim, Münster, Oberhausen, Remscheid, Solingen, Wuppertal) und von zwei Kreisen (Düren, Wesel) statt. Die Klage richtete sich vor allem dagegen, dass nach einem 2008 in Kraft getretenen Landesgesetz die Kreise und kreisfreien Städte für die Kindertagesstätten zuständig sind. Zuvor fiel diese Aufgabe in die Zuständigkeit des Bundes.

Nicht nur Remscheid rechnet nun mit Entlastung in nennenswertem Umfang. Die Stadt Köln bezifferte ihren Mehrbedarf an Betriebskosten für den U 3-Ausbau bis zum Jahr 2013 auf mindestens 77 Millionen Euro. Der Kreis Wesel schätzt die jährlichen Betriebskosten für den U 3-Ausbau auf 750 000 Euro, bis 2013 müssten 195 zusätzliche Plätze angeboten werden, hieß es. Krefelds Oberbürgermeister Gregor Kathstede (CDU) sprach von einem "sehr schönen Signal". Auch Düsseldorfs OB Dirk Elbers (CDU) begrüßte die Entscheidung. Er erwarte nun eine schnelle Neuregelung der Kita-Finanzierung, sagte der Unions-Politiker. Die Landeshauptstadt erwartet zwischen vier und fünf Millionen Euro vom Land zurück.

In der mündlichen Urteilsbegründung sagte der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Michael Bertrams, die beanstandete Regelung verstoße gegen das seit 2004 landesverfassungsrechtlich verankerte Konnexitätsprinzip. Dieses Prinzip verpflichte das Land bei der Übertragung neuer oder der Veränderung bestehender kommunaler Aufgaben, gleichzeitig einen finanziellen Ausgleich für die entstehenden notwendigen, durchschnittlichen Ausgaben zu schaffen.

Das Land habe den Kommunen eine "wesentliche finanzielle Belastung" aufgebürdet, befand das Gericht. Die vor diesem Hintergrund erforderliche Bestimmung über die Deckung der kommunalen Kosten habe der Gesetzgeber nicht getroffen. Hintergrund des Rechtsstreits ist die auf dem Krippengipfel 2007 von Bund, Ländern und Kommunen getroffene Vereinbarung, bis zum Jahr 2013 bundesweit für 35 Prozent aller Kinder unter drei Jahren ein Angebot zur Kindertagesbetreuung zu schaffen.

Das im Dezember 2008 bundesweit in Kraft getretene Kinderförderungsgesetz sieht ab dem Kindergartenjahr 2013/2014 zudem einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahres vor.

Familienministerin Ute Schäfer (SPD) kündigte rasche Konsequenzen aus dem Richterspruch an: "Wir werden jetzt unverzüglich die längst überfälligen Gespräche zum Ausbau der U 3-Plätze führen und das erforderliche Beteiligungsverfahren mit den kommunalen Spitzenverbänden einleiten." Der Vorgang sei "ein Paradebeispiel für die Arbeit des ehemaligen Familienministers" Armin Laschet (CDU), kritisierte Schäfer.

Die Grünen wiesen ebenfalls der alten Landesregierung die Verantwortung für das Urteil zu. CDU und FDP sollten nun dem Nachtragshaushalt 2010 zustimmen, forderte Grünen-Landeschef Sven Lehmann. Damit würden die benötigten zusätzlichen 150 Millionen Euro für den Kita-Ausbau bereitgestellt. Ende des Jahres soll der Nachtragsetat im Landtag verabschiedet werden. Die rot-grüne Minderheitsregierung ist dabei zumindest auf Enthaltungen aus den Reihen der Opposition angewiesen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort