Münster Gericht kippt CO-Pipeline

Münster · Das Oberverwaltungsgericht Münster hält das Gesetz für verfassungswidrig, mit dem die Anwohner enteignet wurden. Nun muss Karlsruhe entscheiden. Bayer ist enttäuscht, die Pipeline-Gegner jubeln.

Der Bayer-Konzern darf seine umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline weiterhin nicht betreiben. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster entschied gestern, dass das Rohrleitungsgesetz verfassungswidrig ist. Auf dessen Basis waren einst Grundstücke von Anwohnern enteignet worden. Die Richter in Münster verwiesen den Fall an das Bundesverfassungsgericht, das nun abschließend entscheiden muss, ob die Enteignungen mit Artikel 14 des Grundgesetzes (Schutz des Eigentums) zu vereinbaren sind. Bis zu einem endgültigen Urteil kann es Jahre dauern. Die Pipeline-Gegner jubelten, Bayer äußerte sich enttäuscht.

Zum Hintergrund: Die 67 Kilometer lange Röhre ist nahezu fertiggestellt. Durch sie soll Kohlenmonoxid (CO), das im Bayer-Werk Dormagen produziert wird, zum Bayer-Werk Krefeld-Uerdingen transportiert werden. Dort wird es für die Herstellung von Kunststoffen wie Makrolon benötigt. Kohlenmonoxid ist geruchlos und giftig. Anwohner aus Monheim und Langenfeld, unter deren Grundstücken die Pipeline verläuft, hatten die Bezirksregierung verklagt, die 2007 Bau und Betrieb der Pipeline genehmigt hatte. Zuvor hatte der Landtag einstimmig das Rohrleitungsgesetz verabschiedet. Darin heißt es, die Pipeline diene dem Wohl der Allgemeinheit und rechtfertige daher die Enteignung von Anwohnern.

Genau das sieht das OVG anders. Die Pipeline stelle ein privatnütziges Vorhaben dar, durch das das Wohl der Allgemeinheit allenfalls mittelbar gefördert werden könne, erklärten die Richter. Der Gesetzgeber habe zwar großen Spielraum, müsse aber den Enteignungszweck hinreichend bestimmt festlegen und den Begünstigten (also Bayer) ausreichend an den Enteignungszweck binden. "Beides ist durch das Rohrleitungsgesetz nicht geschehen", so das OVG. Da über die Vereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Grundgesetz nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden darf, geht die Klage nun nach Karlsruhe.

Keine konzeptionellen Fehler sah das Oberverwaltungsgericht dagegen bei Sicherheitsfragen und beim Trassenverlauf. So verläuft die Pipeline weitgehend rechtsrheinisch, obwohl sie dafür zweimal den Rhein queren muss. Sicherheitsfragen hatten in der Vorinstanz eine große Rolle gespielt; das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte im Jahr 2011 viele Nachbesserungen verlangt.

Der Bayer-Konzern reagierte enttäuscht: "Die Entscheidung ist nicht unser Wunschergebnis. Sie bedeutet für unser Projekt erneut erheblichen Zeitverlust", sagte Bayer-Rechtsexperte Gabriel Harnier. "Wir werden die schriftliche Begründung des Gerichts abwarten. Danach prüfen wir unsere juristischen Optionen." Tatsächlich aber wird bereits auf höchster Ebene diskutiert, wie man weiter vorgeht. In Konzernkreisen wird nicht ausgeschlossen, dass Bayer das leidige Pipeline-Projekt von sich aus aufgibt.

Dieter Donner vom Umweltschutzverband BUND jubelte: "Wir können den Menschen nun sagen, dass auch in den nächsten Jahren kein giftiges Gas durch ihre Gärten fließt. Unser langer Kampf hat sich schon jetzt gelohnt."

Die Landesregierung reagierte gespalten. Umweltminister Remmel (Grüne) begrüßte den Richterspruch: "Damit sind die vielen Einwendungen von Bürgern und Kommunen aufgenommen worden." Das Wirtschaftsministerium von Garrelt Duin (SPD) nannte es dagegen "ein gutes Signal", dass das Gericht keine konzeptionellen Fehler etwa bei der Planung der Trasse festgestellt habe.

(RP)
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