Entwicklungsminister Gerd Müller "Wie erwarten bis zu 200.000 Flüchtlinge aus Libyen"

Berlin · Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) rechnet schon in Kürze mit einem massiven Andrang von Flüchtlingen aus Afrika.

"Nach unseren Informationen warten allein in Libyen 100.000 bis 200.000 Afrikaner, die aus Staaten südlich der Sahara kommen, auf ihre Überfahrt nach Europa", sagte der Minister unserer Redaktion. Die Schlepperbanden seien schon "voll in Aktion". Es bestehe deshalb dringender Handlungsbedarf.

"Die libysche Regierung braucht Autorität, Institutionen, Ausbildung von Polizei und den Ausbau der Küstenwache", sagte der CSU-Politiker. Er lobte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der sich intensiv darum kümmere, die neue libysche Regierung zu stabilisieren. Müller sprach sich auch für "einen gesamteuropäischen Marshall-Plan" für die Bewältigung der Flüchtlingskrise mit einem eigenständigen EU-Flüchtlingskommissar aus. Es sei eine Schande, dass "Europa bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise nicht besser zusammenarbeitet".

Die neuen Reformvorschläge der EU-Kommission für eine künftige gemeinsame Asylpolitik haben unterdessen eine lebhafte Debatte ausgelöst. Die Slowakei unterstrich bereits ihre Ablehnung jeder Form der Aufteilung von Flüchtlingen auf alle EU-Staaten. Nach den Vorstellungen der Kommission soll das Dublin-Übereinkommen, das ein Asylverfahren auf das Land festlegt, in dem ein Flüchtling erstmals EU-Boden betritt, ergänzt werden. Zur Auswahl steht ein "Fairness-Mechanismus", der Grenzstaaten in Krisenzeiten entlastet, und ein dauerhafter Verteilschlüssel, der sich an Finanzkraft, Größe und Aufnahmekapazität der Länder orientiert sowie die familiären Bindungen der Flüchtlinge berücksichtigt.

Thomas Strobl, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion, lobte die Reformvorschläge. "Wir brauchen eine Stärkung der gemeinsamen Asylpolitik, um zu einer gerechteren Verteilung der Lasten innerhalb Europas zu gelangen und um eine gezielte Antragstellung in einzelnen Staaten zu vermeiden", sagte er unserer Redaktion. Es müsse zudem zu einem vergleichbaren Niveau sozialer Leistungen für Asylbewerber in Europa kommen. "Unabdingbar" sei ein wirksamer Schutz der Außengrenzen.

Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl begrüßte den Kommissionsvorstoß als "längst überfälligen Schritt". Jetzt komme es auf den gemeinsamen Willen für seine Umsetzung an. "Ohne den politischen Mut aller europäischen Nationen wird das nicht gehen", erklärte Högl. Gleiche Standards für die Asylverfahren dürften aber nicht zu einer Verschlechterung für die Flüchtlinge führen. "Es wäre auch ein wichtiges Signal an die Schleuser und Schlepper, wenn wir es schaffen, die sicheren und legalen Migrationswege weiter zu stärken", sagte die Innenexpertin.

Mit diesem Ziel ist die Umsetzung des EU-Türkei-Abkommens angelaufen. Danach nimmt die Türkei Griechenland illegal eingereiste Flüchtlinge ab und schickt in gleicher Anzahl syrische Flüchtlinge auf legalem Weg in die EU. Von 72.000 Syrern in der Türkei wird Deutschland auf diesem Weg rund 15.000 übernehmen. Die Rückführungen sollen nach türkischen Angaben heute fortgesetzt werden.

Bundespräsident Joachim Gauck dringt auf eine schnellere Integration der Flüchtlinge. Je früher Flüchtlinge Deutsch lernten und arbeiten könnten, desto besser. "Sonst riskieren wir, dass Frust und Langeweile in Gewalt und Kriminalität umschlagen oder politischer und religiöser Extremismus gedeihen", warnte das Staatsoberhaupt.

(RP)
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