Persönlich Georg Gänswein ... redet offen über die zwei Päpste

Georg Gänswein, dem zurückgetretenen Papst Benedikt helfend verbunden und Papst Franziskus organisierend zu Diensten, möchte seinen erzbischöflichen Wahlspruch aktiv mit Leben füllen. "Testimonium perhibere veritati", "Für die Wahrheit Zeugnis ablegen" lautet er. "Doch wie kann das geschehen?", mag sich der 57 Jahre alte Theologe, Philosoph und Kirchenrechtler denken. Nach Fähigkeiten und Ausstrahlung wäre der Sohn eines Schmiedemeisters, Landmaschinenhändlers und Kommunalpolitikers aus dem Südschwarzwald erste Wahl für Diözesan-Bischofsstühle, etwa in Köln oder Freiburg. Aber Gänswein lebt seit einem Jahr mit in jenem klösterlichen Schatten, den der emeritierte Papst gesucht hat. Für dessen Nachfolger Franziskus organisiert Gänswein Audienztermine –Wirken bestenfalls in Reihe zwei.

Es scheint so, als wolle Gänswein seinen Kummer durch bemerkenswert offene Interview-Lebenszeichen lindern. Dem Benedikt-Biografen Peter Seewald gab er jetzt zu erkennen, dass der römische Doppeljob nicht sein priesterlicher Lebenstraum ist. Auch Vorbehalte gegenüber den stilistischen Brüchen zwischen dem formvollendeten Benedikt und dem saloppen Argentinier lässt Gänswein aufblitzen: Für Franziskus stünden "die Bewährungsproben noch aus". Ob der Enthusiasmus für den Neuen anhalten werde, müsse man sehen: "Wir warten ja noch auf inhaltliche Vorgaben." Und Benedikts Rücktritt sei schon seit August 2012 beschlossene Sache gewesen – der Leibarzt habe dem Papst bedeutet, einen weiteren Langstreckenflug werde er nicht überstehen. Auch Seitenhiebe gegen Bischöfe in Deutschland, die Franziskus zujubeln, es aber an mutigen Taten fehlen ließen, verraten Gänsweins Unzufriedenheit. Menschlich groß und rührend wirken seine Hinweise auf Benedikts Verdienste in einem Pontifikat, dessen geistige Strahlkraft nicht genügend ins Licht gerückt wurde.

(RP)
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