Berlin Genossen im Umfragehoch

Berlin · Die SPD hat seit September 2010 in einer Umfrage erstmals wieder die 30-Prozent-Marke geknackt. Der Erfolg der Genossen lässt sich aus der Schwäche der Anderen und mit der Beliebtheit des Spitzenpersonals erklären.

SPD-Vizechef Olaf Scholz konnte in den vergangenen Monaten grantig werden, wenn ihn ein Journalist zu fragen wagte, warum die SPD als größte Oppositionspartei eigentlich so wenig von der Schwäche der Regierung und der Selbstzerfleischung der Linken profitiere. Denn dafür hatte die SPD selbst keine Erklärung. Nun haben die Genossen die 30-Prozent-Marke in einer Emnid-Umfrage übersprungen. Ihr aktuelles Hoch hat eine Reihe von Gründen.

Erneuerung über die Länder In der zweiten Kanzlerschaft der Regierung Merkel erodiert die Macht der CDU in den Bundesändern: NRW wird rot-grün regiert. In Hamburg hat die SPD zuletzt die absolute Mehrheit errungen. In ihrem Stammland Baden-Württemberg wurde die CDU aus der Regierung gejagt. In Berlin steht ein souveräner Sieg des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit bevor. Und in Schleswig-Holstein kann sich der SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig für das kommende Jahr ernsthaft Chancen auf einen Wahlsieg ausrechnen.

Beliebtes Personal In der Euro-Krise erinnern sich die Deutschen daran, dass die große Koalition eine gute Regierung war und das Land geschickt durch die Finanzkrise gesteuert hat. Neben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten daran Ex-Finanzminister Peer Steinbrück und Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier ihren Anteil. Dies honoriert das Wahlvolk nun.

Peer Steinbrück Die Tatsache, dass der scharfzüngige frühere Finanzminister aktuell als Favorit für die Rolle des nächsten SPD-Kanzlerkandidaten gehandelt wird, macht die SPD stärker. Die Beispiele Helmut Schmidt und Gerhard Schröder zeigen, dass die SPD in der breiten Bevölkerung als umso wählbarer gilt, je unbeliebter der Kanzlerkandidat in den eigenen Reihen ist.

Schwäche der Anderen Die SPD ist auch der einäugige König unter den Blinden. Die Regierungsparteien wirken zerrissen. Die Liberalen stecken in einer historischen Krise, CSU-Chef Horst Seehofer ringt um Profil. Die Linken sind permanent mit sich selbst beschäftigt, und die Grünen haben nach der Befriedung der Atomfrage und dem glücklosen Agieren ihrer Fraktionschefin Renate Künast im Berliner Wahlkampf an Glanz verloren.

Doch sollte die schwarz-gelbe Bundesregierung tatsächlich auseinanderbrechen, könnte sich die SPD noch nicht wirklich regierungsfähig präsentieren. Selbst wenn sich die Genossen auf einen Kanzlerkandidaten Steinbrück einigten, ist doch das Machtgefüge der Troika aus Parteichef Sigmar Gabriel, Steinbrück und Steinmeier labil. Ein Spitzengenosse aus den Ländern zeigt sich äußerst skeptisch, ob die drei Männer besser miteinander kooperieren, als dies bei früheren SPD-Machttrios der Fall war: "Ich hoffe, dass sie es schaffen", sagte er. Ein Manko ist auch, dass die Parteireform noch längst nicht unter Dach und Fach ist. Die Erneuerung der SPD ist also noch in vollem Gang.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort