Im Nahen Osten herrscht Krieg Operation "Fester Felsen": Israel will langsam eskalieren

Jerusalem · Raketen aus dem Gazastreifen auf Tel Aviv und Jerusalem, Israel reagiert mit gezielten Luftangriffen, Extremisten, Frauen und Kinder sterben. Premier Benjamin Netanjahu lässt die Armee die Operation "Fester Felsen" starten. Die Zeichen stehen auf Sturm.

Für Meir Damri ist es fast Routine: Montagfrüh packte der Rentner seine Kinder und Enkel ins Auto und floh Hals über Kopf aus seiner Heimatstadt Beerschewa. "Vor wenigen Jahren schlug eine Rakete direkt neben unserem Haus ein und richtete massive Schäden an", erzählt Damri unserer Zeitung. "Seither sind wir alle traumatisiert. Wenn die Luftschutzsirenen aufheulen, hauen wir ab."

Die kommenden Tage will Damri mit seiner Familie am See Genezareth verbringen, denn in Israels Süden gibt es inzwischen alle paar Minuten Raketenalarm. Bis kurz vor Tel Aviv gilt jetzt ein Ausnahmezustand: Bürger werden aufgefordert, sich in der Nähe von Bunkern aufzuhalten und große Veranstaltungen zu vermeiden. Theater, Kinos und Universitäten schließen, Menschen fliehen.

Rund um Gaza herrscht nach zwei Jahren wieder Krieg. Bei der israelischen Offensive gegen Extremisten wurden in der Nacht zu Mittwoch nach palästinensischen Angaben mindestens 25 Menschen getötet, darunter auch Zivilisten. Die Extremisten setzten zeitgleich den Raketenbeschuss auf israelische Großstädte fort.

"Die Armee hat den Befehl erhalten, Ruhe für Israels Süden zu schaffen und das Raketenarsenal der Hamas zu dezimieren", betonte ein Armeesprecher. Nach israelischen Schätzungen verfügt die Hamas über mehr als 10 000 Raketen, die auch Tel Aviv erreichen können. Am späten Nachmittag fing das Luftabwehrsystem "Eiserner Dom" über der Mittelmeer-Metropole eine Rakete ab, zuvor hatte es Luftalarm gegeben.

Man werde die Operation "Fester Felsen" langsam eskalieren, um den Druck auf die radikal-islamische Hamas zu erhöhen, bis diese den Beschuss israelischer Ortschaften einstelle: "Wir haben sie in vergangenen Tagen vor die Wahl gestellt: Entweder geben sie Ruhe und bekommen Ruhe, oder wir schlagen zurück. Leider hat sich die Hamas falsch entschieden", sagte der Armeesprecher.

Allein bis zum Dienstagnachmittag griff Israels Luftwaffe mehr als 100 Ziele im Landstrich an. "Seit zwei Wochen schläft hier niemand. Dauernd hört man Explosionen", sagte der palästinensische Menschenrechtler Radsch Sourani. "Aber es war noch nie so schlimm wie jetzt. Das hier ist einer der am dichtesten besiedelten Orte der Welt. Alle haben Angst, von einer israelischen Bombe getroffen zu werden."

Für ihn war es wenig Trost, dass Israels Angriffe bislang sehr genau waren. Sie richteten sich hauptsächlich gegen leere militärische Einrichtungen der Hamas, deren Zerstörung als Warnung gedacht war. Doch als es weiterhin unzählige Raketen auf israelische Städte hagelte, ging die Armee zur gezielten Tötung von Hamas-Aktivisten über. Als ersten erwischte es Muhammad Saaban, einen Kommandanten in der Eliteeinheit der Hamas-Marinekommandos. Eine Rakete traf sein Auto, als er an einer roten Ampel hielt. Insgesamt kamen gestern mindestens elf Menschen in Gaza ums Leben, mehr als 40 wurden verletzt.

Die Zeichen stehen auf Sturm. Denn auf beiden Seiten unterstützt die Bevölkerung vorerst eine Eskalation: "Wir haben Angst, aber wir haben nichts zu verlieren", sagte Sourani: "Hier sind alle arbeitslos, arm, es gibt nur sechs Stunden am Tag Strom. Es gibt keine Verhandlungen, wir sind hier eingesperrt. Es ist unser Recht, gegen Israel Widerstand zu leisten." Auf der anderen Seite forderten Israelis, den Beschuss der Hamas mit allen Mitteln zu stoppen: "So ist das kein Leben. Das muss endlich ein Ende haben", forderte der Anwohner.

Abu Ahmad, Sprecher des Islamischen Dschihad, der die Verantwortung für die Raketenangriffe übernahm, drohte, der Dauerbeschuss sei "nur der Anfang. Wenn die Zionisten weitermachen, werden immer mehr Städte vom Krieg erfasst werden." Israel nimmt die Drohungen ernst: Rund um den Gaza-Streifen verlegten Krankenhäuser ihre Patienten in Bunker und stockten die Bestände ihrer Blutbanken auf.

(RP)
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