Schwerpunkt SPD-Kanzlerkandidat Gabriels Meisterstück

Kaum Kanzlerkandidat, ist Peer Steinbrück schon in die Schlagzeilen geraten. Doch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel baut auf seinen Wahlkämpfer. Schließlich hat er ihn parteiintern durchgeboxt.

Berlin Auf dem Parteitag der SPD im Dezember 2011 in Berlin war Peer Steinbrück ein einsamer Mann. Als er am Schlusstag des Treffens, nach gefeierten Reden von Parteichef Sigmar Gabriel, Altkanzler Helmut Schmidt und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier auf die Bühne ging, applaudierten die Genossen nur müde.

Vor allem der SPD-Chef hätte damals leicht aus der Troika ein Duell machen können. Doch Gabriel wollte den umstrittenen, aber scharfzüngigen und blitzgescheiten Ex-Finanzminister im Rennen halten. In seiner Parteitagsrede erinnerte Gabriel mehrfach an den "sozialdemokratischen Finanzminister", der gute Arbeit in der großen Koalition geleistet habe und dem Deutschland die Schuldenbremse verdanke.

Zweieinhalb Jahre später ist Peer Steinbrück Kanzlerkandidat der SPD. Und Gabriel nutzte die Zeit davor, um den möglichen Kandidaten sehr nahe an das Programm der Partei zu bringen. Die Positionen zum Afghanistan-Einsatz, zur Steuerpolitik, zur Europapolitik, zum Schweizer Steuerabkommen und vor allem zur Regulierung der Finanzmärkte sprach Gabriel frühzeitig mit Steinbrück ab. Erst Ende November wollte er die Kanzlerkandidatur bekannt geben. So lautete auch die Verabredung mit Steinmeier und Steinbrück.

Als Sigmar Gabriel im Sommer dieses Jahres aus der Babypause heraus mit einem scharfen Positionspapier zur Regulierung der Banken die öffentliche Debatte aufwirbelte, war es eben nicht die Inszenierung Gabriels als Kanzlerkandidat, sondern die Strategie des Parteichefs, die Positionen der SPD in der Öffentlichkeit präsent zu halten.

Am vergangenen Freitag entglitt Gabriel freilich die Herrschaft über den Zeitplan. SPD-Fraktionschef Steinmeier, der sich im Sommer aus persönlichen Gründen gegen eine Kandidatur entschieden und dies Gabriel und Steinbrück auch mitgeteilt hatte, eröffnete Journalisten in einem Hintergrundgespräch am Donnerstagabend, dass er nicht mehr zur Verfügung stehe. Am nächsten Morgen tickerten die Nachrichtenagenturen, dass nur noch Peer Steinbrück im Rennen sei.

Seinen Ärger ließ sich Gabriel nicht ansehen. Er war gerade in München, als ihn die Meldungen aus Berlin erreichten. Er tobte über die Undiszipliniertheit Steinmeiers, entschied sich dann aber rasch, in die Offensive zu gehen und die Kandidatur öffentlich zu machen.

Cool brachte der SPD-Chef bei einer Pressekonferenz die verfrühte Nominierung ("so ist das Leben") über die Bühne, auch wenn sein Verhältnis zu Steinmeier seither als belastet gilt. Gabriel geht aus der Troika gestärkt hervor.

Steinbrück hat ihm die Kandidatur zu verdanken. Dass im Parteivorstand kein einziger der namhaft vertretenen Parteilinken gegen die Kür Steinbrücks zum Kanzlerkandidaten votierte, ist ein zusätzlicher Beleg dafür, wie Gabriel die Partei mit ihrem Kandidaten versöhnt hat.

Der Parteichef wird sich im Wahlkampf dem Zugpferd Steinbrück unterordnen. Fraktionschef Steinmeier dürfte hingegen in den kommenden Monaten an den Rand gedrängt werden. Und nach der Bundestagswahl 2013 dürfte sich Sigmar Gabriel auch den Fraktionsvorsitz sichern wollen.

Gabriels dann vierjährige Aufbauarbeit in der Partei wird ihm kaum ein Genosse absprechen können. Bei einer möglichen Regierungsbeteiligung wäre seine Macht in der SPD erst recht so groß wie nie.

(brö)
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