Bergheim Gabriel: Kein Wettlauf bei Kohle-Aus

Bergheim · Wie lange soll noch Braunkohle gefördert werden? Der Vizekanzler will sich nicht festlegen - geht aber schon jetzt auf Distanz zu den Grünen.

In der Frage des Ausstiegs aus der Braunkohle will sich SPD-Parteichef und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel nicht auf einen fixen Ausstiegszeitpunkt festlegen. "Ich halte nichts von dieser Jagd auf Ausstiegsdaten", sagte Gabriel gestern Abend bei einem Besuch des RWE-Braunkohlekraftwerks in Bergheim-Niederaußem. Ein präzises Jahr sei aus heutiger Sicht nicht seriös zu benennen, da es zu viele Einflussfaktoren gebe. Die Festlegung auf ein Datum könne zudem leicht zu einem Überbietungswettbewerb führen.

Gabriel geht damit auf Distanz zu den Grünen, die sich nach dem Willen der Bundestagsfraktion ihrer Partei innerhalb der kommenden 20 Jahre von der Kohleverstromung verabschieden wollen. Als Enddatum peilt die Fraktion das Jahr 2037 an, der Bundesparteitag hatte das Jahr 2025 als Zielmarke genannt.

Die Braunkohle ist wegen des potenziellen Konflikts zwischen Umwelt und Arbeitsplätzen im Wahlkampf sowohl für die Grünen als auch für die SPD ein klassisches Thema, um das eigene Parteiprofil zu schärfen. Der Braunkohleausstieg birgt auch in der rot-grünen NRW-Landesregierung immer wieder Konfliktpotenzial.

Gabriel sagte gestern in Bergheim, ein Ausstieg aus der Braunkohle bis 2025 sei "völlig illusorisch". Ohnehin werde im Jahr 2030 schon 50 Prozent weniger Braunkohle gefördert, weil große Teile des Tagebaus dann ausgekohlt seien und geschlossen würden. "Wenn das so ist, dann weiß ich nicht, warum man sich mit Jahreszahlen überschlagen muss", sagte Gabriel. Aus seiner Sicht sei es am sinnvollsten, im Jahr 2030 zu überprüfen, wie weit der Aufbau von Ersatzarbeitsplätzen für die Beschäftigten im Braunkohletagebau und die Energiewende dann vorangeschritten seien. Das Ausstiegstempo solle entsprechend angepasst werden.

Gabriel beteuerte, die Klimaziele ließen sich auch mit dem von ihm vorgeschlagenen Weg einhalten. Zugleich betonte er, es dürfe den Beschäftigten in der Braunkohle nicht der Eindruck vermittelt werden, sie seien nicht mehr wichtig. "Wir müssen den Beschäftigten signalisieren, dass wir sie wertschätzen, dass wir nicht den Eindruck vermitteln wollen, dass sie auf der falschen Seite der Geschichte stehen." Die fossilen Kraftwerke dürften nicht von heute auf morgen abgeschaltet werden, so der Wirtschaftsminister.

Fraktionschef Anton Hofreiter zufolge wollen die Grünen sofort mit dem Kohleausstieg beginnen und die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke, darunter auch Niederaußem, vom Netz nehmen. Gabriel hielt dem entgegen, dass der Ausstieg aus der Atomenergie bereits eine "Operation am offenen Herzen" sei. "So ein Experiment darf man in einer Volkswirtschaft auch nicht ständig wiederholen."

(RP)
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