Berlin Gabriel: Große Koalition vermeiden

Berlin · SPD-Chef Sigmar Gabriel will nicht wieder mit der Union regieren. Das Verhältnis zur Linken möchte er entkrampfen. Zur Frage nach dem Kanzlerkandidaten räumt er indirekt ein, dass sie entschieden ist.

Zu welchem politischen Partner sich die Sozialdemokraten bekennen, will SPD-Chef Sigmar Gabriel im Wahlkampf 2017 offenlassen. Die Sozialdemokraten wissen aber, was sie nicht wollen: "Für uns ist ganz klar, dass wir eine große Koalition vermeiden wollen", sagte Gabriel unserer Redaktion.

Dem SPD-Chef schwebt vor, eine Reihe von Punkten zu benennen, die für die SPD im Fall einer Regierungsbildung nicht verhandelbar sein sollen. "Ich persönlich bin davon überzeugt, dass zu unseren Kernforderungen gehören muss, dass Deutschland ein Gesundheitssystem braucht, bei dem der Facharzttermin nicht mehr vom Einkommen abhängt, und davon, ob man privat oder gesetzlich versichert ist", sagte Gabriel. Auch ein großes Wohnungsbauprogramm sei notwendig. "Und wir müssen deutlich mehr Geld in die Schulen investieren und das digitale Lernen fördern", sagte der SPD-Chef.

Doch nicht nur die Koalitionsfrage ist bei der SPD offen. Es ist auch nach wie vor unklar, wer als Spitzenkandidat für die Sozialdemokraten in den Wahlkampf ziehen soll. Die SPD-Führung plant, dies erst Ende Januar bekanntzugeben. Dabei ist nach einer Aussage von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft darüber längst entschieden worden. Nach Informationen unserer Redaktion weiß der engste Führungszirkel der SPD tatsächlich Bescheid.

Gabriel bestätigte nur indirekt, dass der Kandidat bereits feststeht. "Solche Entscheidungen werden nicht ohne Wissen und vor allem nicht ohne die Zustimmung der Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen Hannelore Kraft getroffen", sagte er auf die Frage, ob Kraft eine korrekte Aussage getroffen habe, als sie behauptete, sie wisse, wer Kandidat werde. Gabriel betonte auch Krafts Schlüsselrolle für diese Frage: "Sie können sicher sein, dass Hannelore Kraft entscheidenden Einfluss darauf hat, wer die SPD als Spitzenkandidat in die kommende Bundestagswahl führt."

Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass Gabriel selbst kandidieren will. Schließlich gilt Kraft als klare Befürworterin einer Gabriel-Kandidatur. Sie hat vor allem Interesse an einer stabilen SPD-Führung in Berlin, während sie in NRW um ihre Wiederwahl kämpft. Gabriel fügte hinzu, die SPD-Führung sei sich einig und habe einen klaren Fahrplan, wie die Entscheidung herbeigeführt werde. "Es ist ja eine ernsthafte Frage, wer die größte Volkswirtschaft Europas als Kanzler der SPD anführen soll."

Der Kanzlerin, die bereits ihre Kandidatur für eine vierte Amtszeit erklärt hat, warf Gabriel vor, sie mache dies aus "Pflichtbewusstsein". Merkel habe aber keine Antworten für Deutschlands Zukunft.

Während die SPD klarmacht, nicht erneut mit der Union koalieren zu wollen, bleibt die Frage offen, ob Rot-Rot-Grün eine Alternative ist. "Wenn wir sagen, dass es keinen Koalitionswahlkampf geben wird, dann müssen wir vor dem Wahlkampf Tabus ausräumen", forderte Gabriel. Er wolle sich nicht an die Grünen und an die Linkspartei binden, "aber es geht um Entkrampfung". Aus Sicht des SPD-Parteichefs hängt es vor allem an der Fraktionschefin der Linken, Sahra Wagenknecht, ob ein Bündnis im kommenden Herbst möglich ist. Erst am Donnerstagabend traf er sich mit Wagenknecht zu einem vertraulichen Gespräch. "Am Ende kommt es nicht auf uns an, sondern auf das Verhalten der Linkspartei." Wagenknecht halte Reden im Bundestag zu Europa, die sich kaum von solchen der AfD unterschieden, beklagte Gabriel. Mit einer solchen Einstellung gegen Europa werde es keine Koalition mit der SPD geben.

(RP)
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