Streit um Kohlekraftwerke Gabriel bessert Klimaschutz-Abgabe nach
Berlin · Nach Kritik von Union, Gewerkschaften und Stromkonzernen will Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) seine Pläne für eine Klimaschutz-Abgabe für alte Kohlekraftwerke nachbessern.
Die Höhe der Abgabe, die den Ausstoß von Kohlendioxid drosseln wird, soll nun an die tatsächliche Entwicklung der Großhandelsstrompreise gekoppelt werden, was eine gewisse Entlastung der Betreiber mit sich bringen könnte. Der SPD-Chef reagiert damit auf Sorgen der Gewerkschaften, die um die Zukunft der Reviere in Mitteldeutschland, der Lausitz und im Rheinland mit Zehntausenden Arbeitsplätzen fürchten. Auch der Koalitionspartner CDU/CSU fordert Korrekturen. Für Samstag sind große Demonstrationen für und gegen die Kohle angekündigt.
In einem Brief an die Gewerkschaftsvorsitzenden Michael Vassiliades (IG BCE) und Frank Bsirske (Verdi) bekräftigte Gabriel seine Kompromissbereitschaft: "Arbeitsplätze und Klimaschutz dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden". Nun lässt Gabriel prüfen, wie heftig die Abgabe ins Kontor der Kohle-Konzerne schlagen würde: "Wir brauchen Klarheit über die Zahlen und Folgen. Vorher wird nichts entschieden." Beim Klimaschutzziel will Gabriel aber nicht mit sich reden lassen.
Im Dezember hatte das schwarz-rote Kabinett beschlossen, bis 2020 im Kraftwerksbereich zusätzlich zu den bisherigen Maßnahmen 22 Millionen Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid einzusparen. Sonst würde Deutschland sein Klimaschutzziel - 40 Prozent weniger CO2 gegenüber 1990 - verfehlen. Das wäre mit Blick auf den Weltklimagipfel Ende des Jahres in Paris eine Blamage für Europas Ökostrom-Vorreiter.
Wie der "Spiegel" berichtet, habe Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sich nun gewünscht, dass Gabriel die Belastungen für die Konzerne noch einmal durchrechnet.
Um die Kohle wird es am Sonntagabend auch beim Koalitionsgipfel im Kanzleramt gehen. Die SPD will von der Union ein klares Bekenntnis zum Klimaschutz hören: "Ich erwarte von der Union am Sonntag konkrete Vorschläge. Nein-Sagen alleine löst kein Problem", sagte Fraktionschef Thomas Oppermann.
Grüne: Gabriel soll standhaft bleiben
Die Grünen forderten Gabriel auf, standhaft zu bleiben. Zweifel seien angebracht: Der SPD-Chef glaube offensichtlich "dem Untergangsgeschrei der Ewiggestrigen wie RWE und Vattenfall mit ihren Uralt-Kohleblöcken aus Adenauers Zeiten", kritisierte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Auch Greenpeace weist daraufhin, dass die Kohle-Abgabe nicht besonders ehrgeizig sei, sondern das absolute Minimum, um das 40-Prozent-Ziel zu schaffen. "Wer diese Vorschläge verwässert, rüttelt am deutschen Klimaschutzziel", sagte Greenpeace-Experte Karsten Smid.
Gabriels grüner Staatssekretär Rainer Baake erläuterte, es werde nun an einer Tabelle gearbeitet, damit die Höhe der Abgabe für über 20 Jahre alte Kraftwerke sich nach einem "Wenn-Dann-Prinzip" an der Entwicklung des Börsenstrompreises bis 2020 orientiert. "Wenn der Strompreis hoch ist, ist auch die Klimaabgabe hoch. Sinkt der Strompreis, sinkt auch die Abgabe", sagte Baake. Bisher war geplant, dass oberhalb eines Freibetrags 18 bis 20 Euro pro zusätzlich ausgestoßener Tonne CO2 fällig werden. Von den Plänen sind 90 Prozent der Kraftwerke laut Ministerium nicht betroffen.