Untersuchungs-Kommission soll aufklären G-8: Nach Krawallen Ministerrücktritt gefordert

Genua/Paris (rpo). Italien kommt in Sachen G-8-Gipfel nicht zur Ruhe: Nach den Krawallen in Genua mit einem Toten und 561 Verletzten fordert die italienische Opposition den Rücktritt von Innenminister Claudio Scajola. Zudem müsse es eine parlamentarische Untersuchungs-Kommission geben.

Dies lehnte die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi bei einer Parlamentsdebatte ab.

Scajola bekräftigte, der Polizist, der in Genua einen 23-jährigen Demonstranten erschoss, habe in Notwehr gehandelt. Militante hätten das Auto des Polizisten attackiert; der Beamte habe Angst vor einer einer „Lynchaktion“ gehabt. Bereits zuvor hatte Berlusconi schwere Vorwürfe an die Organisatoren der Demonstrationen gerichtet: Sie hätten militanten Anarchisten Deckung geboten und diese dadurch letztendlich unterstützt. Der Polizei sei es unmöglich gewesen, zwischen friedlichen Globalisierungsgegnern und Militanten zu unterscheiden.

Nach der Bilanz der Behörden verwüsteten militante Anarchisten in Genua insgesamt 41 Geschäfte. 83 Autos wurden verbrannt oder beschädigt. Die Schäden werden auf mindestens 100 Millionen Mark geschätzt.

Scajola steht nicht zuletzt wegen einer nächtlichen „Blitzaktion“ der Polizei gegen ein Koordinationszentrum der Demonstrationsveranstalter „Social Forum Genua“ unter Druck. Bei der Razzia am frühen Sonntagmorgen wurden 50 junge Leute verletzt und 93 zeitweise festgenommen, darunter 41 Deutsche. Augenzeugen sprachen von einem überaus harten Vorgehen der Polizei. Diese habe die jungen Leute im Schlaf überrascht und brutal zusammengeschlagen. Der Fußboden des Zentrums sei nach der Aktion mit Blut verschmiert gewesen.

Die Polizei wies die Vorwürfe zurück. Die Aktion sei notwendig gewesen, um weitere Krawalle zu verhindern. Die Beamten hätten zahlreiche Waffen beschlagnahmt, darunter Molotow-Cocktails und Eisenstangen. Kommentatoren vertraten am Montag die Ansicht, dass viele Deutsche unter den militanten Anarchisten von Genua waren. Sie nennen sich nach den Berliner Militanten der 70er und 80er Jahre „Black Block“ (Schwarzer Block).

Der französische Premierminister Lionel Jospin hat nach dem G-8- Gipfel das „weltweite Aufkommen einer$Bürgerbewegung“ begrüßt. Jospin verurteilte am Montag in Paris die Gewalt militanter Randgruppen auf den Massendemonstrationen in Genua, befürwortete aber ausdrücklich eine Bürgerbewegung, „die den Wunsch einer Mehrheit der Männer und Frauen ausdrückt, den möglichen Nutzen der Globalisierung besser zwischen reichen und armen Ländern zu verteilen.“

(RPO Archiv)
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