Beratungen Kampf gegen Aids und Schuldenerlass G-8-Gipfel gegen globale Armut

Evian (rpo). Am Sonntag hat im französischen Evian die G-8-Konferenz begonnen. Bei dem Gipfeltreffen treffen Industriestaaten und Entwicklungsländern aufeinander. (Foto: Gastgeber Jacques Chirac)

20 Staats- und Regierungschefs berieten in dem Kurort am Genfer See über Schuldenerlass, den Kampf gegen Aids und einen besseren Zugang der ärmsten Länder zum Weltmarkt. Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde wegen des SPD-Sonderparteitags erst am Abend erwartet.

Der französische Präsident und Gastgeber Jacques Chirac empfing im Zeichen des Nord-Süd-Dialogs die Repräsentanten von 80 Prozent der Weltbevölkerung, darunter die Präsidenten von Brasilien, Südafrika, China und Nigeria. Am Mittag begrüßte Chirac US-Präsident George W. Bush im Hotel Royal von Evian. Sie schüttelten sich kurz die Hand und wechselten nur ein paar Worte miteinander. Am (morgigen) Montag treffen sie sich erstmals nach ihrem Streit über den Irak-Krieg bilateral. Ein Vier-Augen-Gespräch mit Schröder plant Bush dagegen weiter nicht.

Annan las G8 die Leviten

Hinter verschlossenen Türen las dann UN-Generalsekretär Kofi Annan den Industriestaaten die Leviten. Er erinnerte sie an die ehrgeizige Selbstverpflichtungen des Millenniumsgipfels, die Zahl der in bitterer Armut lebenden Menschen bis 2015 zu halbieren. Dazu seien rund 100 Milliarden Dollar Entwicklungshilfe jedes Jahr nötig, fast doppelt so viel wie heute, schrieb Annan den Präsidenten ins Stammbuch. Die zugesagten Aufstockungen könnten nicht mehr als ein Anfang sein.

Die Verhandlungen der Welthandelsorganisation stocken: Die USA wehren sich dagegen, den Entwicklungsländern Zugang zu billigen Medikamenten zu gewähren. Ein Schuldenerlass sei nötig und die Subventionen der Industriestaaten auf Agrarexporte müssten abgebaut werden, verlangte der UN-Generalsekretär. Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva wollte in Evian seinen Vorschlag für einen Fonds gegen den Hunger auf den Tisch bringen.

Südafrikas Staatschef Thabo Mkebi hieb in die gleiche Kerbe: Die wohlklingenden Versprechen seien ja gut und schön, aber sie müssten jetzt endlich auch umgesetzt werden. Er sei "sehr unglücklich" über die wenigen konkreten Fortschritte, gab er in der BBC zu Protokoll. Die G-8 müssen noch zeigen, dass sie es mit der Evian zur Schau gestellten Solidarität mit den Ärmsten der Welt ernst meinen.

USA suchen Unterstützung für ihre harte Linie gegen Iran

Die USA suchen beim G-8-Gipfel Unterstützung für ihre harte Linie gegen Iran. So bekräftigte kurz vor Beginn des Treffens am Sonntag im französischen Evian US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice die Vorwürfe, Iran unterstütze den Terrorismus im Nahen Osten und entwickle Nuklearwaffen. "Wir müssen handeln. Wir dürfen nie wieder in die gleiche Situation kommen wie im Irak", sagte sie dem "Handelsblatt" (Düsseldorf/Montagausgabe).

Die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen ist an diesem Montag Thema beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der sieben führenden westlichen Industrienationen sowie Russlands. Dann dürfte auch das Atomprogramm Nordkoreas zur Sprache kommen.

Der Gastgeber des G-8-Treffens, der französische Staatspräsident Jacques Chirac, teilt die amerikanischen Bedenken. "Iran muss sich zu der Besorgnis der Welt äußern", sagte Catharina Colonna, die Sprecherin Chiracs, am Sonntag in Evian. "Wir haben eine Botschaft, die sich der der USA nähert."

Signal der Einigkeit

Nach den tiefen Differenzen in der Irak-Krise soll der G-8-Gipfel ein Signal der Einigkeit und des Vertrauens aussenden. Während der Kampf gegen den Terrorismus und die schlechte Lage der Weltwirtschaft im Mittelpunkt der Beratungen am Montag stehen dürften, setzte Gastgeber Chirac am Sonntag ein Zeichen der Öffnung der G-8, die sich seiner Meinung nach nicht als "Vorstand der Welt" verstehen dürften. An dem so genannten Erweiterten Dialog nahm auch UN-Generalsekretär Kofi Annan teil, der von den führenden Industriestaaten eine massive Aufstockung der Entwicklungshilfe und einen Abbau von Handelsschranken fordert.

Der brasilianische Präsident Luiz Inacio Lula da Silva wollte die Einrichtung eines internationalen Fonds gegen den Hunger anregen. Auch eine Aufstockung des Globalen Gesundheitsfonds der Vereinten Nationen stand in Evian auf der Tagesordnung: Nachdem die USA zugesagt haben, ihren Beitrag von 350 Millionen Dollar jährlich etwa zu verdreifachen, wenn insgesamt mindestens drei Milliarden Dollar zusammenkommen, fordert Frankreich von seinen EU-Partnern, gemeinsam ebenfalls eine Milliarde Dollar einzuzahlen.

Geld gegen AIDS

Mit dem Geld soll die Ausbreitung von Aids, Tuberkulose und Malaria eingedämmt werden. Die USA wollen in den nächsten fünf Jahren insgesamt 15 Milliarden Dollar im Kampf gegen die tödliche Immunschwächekrankheit investieren und verlangen von den Europäern vergleichbare Anstrengungen. Dagegen sträuben sich die Vereinigten Staaten in den Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO), den Entwicklungsländern billige Medikamente zur Verfügung zu stellen. Beraten werden sollte in Evian auch über die beim Millenniumsgipfel zugesagte Erhöhung der Entwicklungshilfe.

Erster Termin Schröders in Evian war der Planung zufolge das Abendessen der G-8-Staats- und Regierungschefs mit Ägypten, Algerien, Nigeria, Südafrika und Senegal über die Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD). US-Präsident Bush reist wegen seiner diplomatischen Initiative im Nahen Osten bereits am Montagmittag wieder ab. Der G-8-Gipfel geht am Dienstagmittag zu Ende.

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