Analyse Fußfessel für Gefährder?

Pro und Contra Das Bundeskriminalamt soll bei Gefährdern künftig die elektronische Fußfessel einsetzen dürfen. Aber erhöht der Beschluss des Kabinetts auch die innere Sicherheit? Die Wirksamkeit der Maßnahme ist umstritten.

Der Beschluss des Kabinetts ist ein wichtiger Schritt: Spätestens der Fall des Attentäters Anis Amri, den die Behörden im Herbst letzten Jahres aus den Augen verloren, hat uns vor Augen geführt, dass wir bei der Überwachung dieser extrem gefährlichen Personen neue Wege gehen müssen.

In Deutschland laufen rund 180 Gefährder frei herum. Sie stellen eine Gefahr für die Sicherheit dar, können mangels Verurteilung aber nicht eingesperrt werden. Es ist offensichtlich, dass die Polizei so viele Menschen nicht persönlich rund um die Uhr überwachen kann. Die elektronische Fußfessel ist hier ein effektives Mittel, um den Sicherheitsbehörden die Kontrolle des Aufenthaltsortes dieser Personen zu ermöglichen.

Natürlich wird die Fußfessel keinen Selbstmordattentäter von seiner Tat abhalten. Aber alle sonstigen Träger eines solchen Senders werden künftig in dem Bewusstsein leben und handeln, dass sie sich nach einer Tat einer Verurteilung kaum werden entziehen können. Den Behörden erleichtert die Fußfessel die Aufklärung begangener Straftaten. Wichtiger noch: Sie kann dazu beitragen, dass die Sicherheitsbehörden gefährliche Netzwerke erkennen und bestenfalls geplante Straftaten verhindern. So soll beispielsweise das Bundeskriminalamt Aufenthaltsverbote für bestimmte Orte erlassen und deren Einhaltung dann mit Hilfe von Fußfesseln kontrollieren können. Angesichts der Gefahren, die von den Betroffenen aufgrund bestimmter Anhaltspunkte ausgehen, ist der mit der Pflicht zum Tragen einer Fußfessel verbundene Grundrechtseingriff auch gerechtfertigt.

Ohne Frage: Da es um nicht strafrechtlich verurteilte Personen geht, ist sowohl bei der Ausgestaltung der rechtlichen Regelung als auch bei der Anwendung in der Praxis Sensibilität erforderlich. Die Gefahr behördlicher Willkür wird jedoch insbesondere durch den Vorbehalt der richterlichen Anordnung gebannt. Nach der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern ist das BKA nur für einen sehr geringen Teil der hier lebenden Gefährder verantwortlich.

Damit zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland das Mittel der Fußfessel bei all diesen Personen eingesetzt werden kann, sind nun die Bundesländer in der Pflicht, zügig in ihren Polizeigesetzen entsprechende Regelungen zu schaffen. Nur so kann das Instrument der elektronischen Fußfessel bundesweit seine volle Wirkung entfalten.

Die elektronische Fußfessel, insbesondere bei Gefährdern, ist ein heftig überschätztes Mittel. Fußfesseln können keine Anschläge verhindern. Sie sind ohne große Probleme zerstörbar. Der Träger kann untertauchen und Straftaten begehen.

Am Fall des Priestermordes in Frankreich im Juli 2016 zeigt sich, wie ungeeignet diese Methode ist, Gefährder effektiv zu überwachen. Einer der beiden islamistischen Täter trug eine Fußfessel. Der Standort einer Person sagt auch nichts über ihr Tun aus. Ob sich der Träger einer Fußfessel mit Gleichgesinnten trifft oder konspirativ kommuniziert, kann nur eine konkrete Überwachung klären. Deshalb werden Sicherheitsbehörden durch Fußfesseln auch nicht spürbar entlastet.

Die derzeitige Überforderung der Polizeien wurde zuallererst durch die Stellenkürzungen der vergangenen Jahre bei gleichzeitigem Aufgabenaufwuchs und nicht nur durch die angespannte Sicherheitslage verursacht. Auch bei Anis Amri hätte eine Fessel das Attentat nicht verhindert. Zwischen der Entführung des Lkw und dem Attentat ist keine Stunde vergangen. Bei der Nutzung von Alltagsgegenständen als Waffe ist die Zeit vom Abstreifen der Fußfessel bis zur Tat so kurz, dass anlaufende Fahndungsmaßnahmen zu spät kommen.

Das Haupthindernis bei der Verhaftung Amris war nicht dessen Untertauchen. Seine beiden Wohnadressen in Berlin waren bekannt. Haupthindernis war offensichtlich die Informationsabschöpfung bei Amri im Zusammenhang mit der Aushebung der Gruppe Abu Walla durch eine V-Person des Landeskriminalamts. Die Abschöpfung wurde einer Gefahrenabwehr vorgezogen. Trotz zahlreicher krimineller Delikte kam es so zu keiner Verhaftung.

In der ganzen Diskussion um Mittel gegen den Terror wird kaum über Präventionsstrategien diskutiert. Die meisten Gefährder haben sich in Europa radikalisiert. Es ist deshalb viel besser, wenn Deradikalisierungsvereine wie Ufuq oder Hayat eine Radikalisierung von gefährdeten Jugendlichen abwenden, als dass man diese später mit riesigem Aufwand überwacht. Auch bei Gefährdern mit deutschem Pass müssen Strategien zur Deradikalisierung angedacht werden. Bei Straffälligen gibt es eine ganze Palette an Resozialisierungsmaßnahmen, bei noch nicht straffällig gewordenen Gefährdern hingegen nicht.

(RP)
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