Fußball-Diplomatie in Nordkorea

Fußball, Führerkult und ein kleiner Eklat. Anlässlich der Frauenfußball-WM in Deutschland konnte erstmals eine große deutsche Delegation nach Nordkorea reisen. Szenen eines bizarren Trips in einen Zwangsstaat, der sich seit 60 Jahren vom Westen isoliert und in dem die Menschen zu wenig zu essen haben.

pjöngjang Der Weg zum "großen Führer" führt durch einen überdimensionalen Fön. Wer das Mausoleum von Nordkoreas Staatsgründer Kim Il-Sung, offiziell der "große Führer", auf einem Hügel über der Hauptstadt Pjöngjang besucht, muss seine Taschen entleeren, über eine Schuhreinigungsanlage laufen und durch eine Röhre gehen, aus der heiße Luft Staubkörner vom Körper fegt. – Ehrbezeugungen für den 1994 verstorbenen Diktator und einstigen Herrscher der wohl mysteriösesten und verschlossensten Diktatur der Welt.

Der Besuch der letzten Ruhestätte Kims gehört zum Pflichtprogramm für die wenigen, meist aus China kommenden Besucher Pjöngjangs. An diesem Tag wandeln auch die Vorsitzende der Grünen, Claudia Roth, und DFB-Präsident Theo Zwanziger durch die Halle aus Marmor. Das Protokoll wollte es so.

Nur die beiden mitreisenden Bundestagsabgeordneten Thomas Feist (CDU) und Patrick Kurth (FDP) verweigerten sich dem Gang ins Mausoleum des Kommunistenführers. Ein kleiner Eklat zum Abschluss einer beispiellosen Geschäftsreise. Noch nie wurde eine so große deutsche Delegation in dem abgeschotteten, asiatischen Staat empfangen, der seit mehr als 60 Jahren von einem skrupellosen Regime geführt wird. Seit dem Beschuss eines südkoreanischen Schiffes vor einem Jahr ist Nordkorea politisch und wirtschaftlich völlig isoliert. Die Vereinten Nationen haben drastische Sanktionen verhängt, die USA drohen mit Militärschlägen, sollte Nordkorea weiter am Atomprogramm basteln.

Eine heikle Lage für den Deutschen Fußballverband (DFB), der als Gastgeber der diesjährigen Frauen-Weltmeisterschaft alle Teilnehmerländer im Vorfeld des Turniers besucht. Und dazu gehört eben auch Nordkorea. Also bat DFB-Chef Zwanziger um politische Unterstützung bei den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschuss im Bundestag. Duzfreundin und DFB-Beraterin Claudia Roth willigte ein, ein Abgeordneter aus jeder Partei kam dazu – gegen den Willen des Außenministeriums, das eine Aufwertung des nordkoreanischen Regimes durch die Reise befürchtete. Sport könne Türen öffnen, wo die Politik Mauern errichte, entgegnet Roth.

Die Ernüchterung folgt unmittelbar nach der Ankunft in Pjöngjang. Zwar nehmen sich führende Parteifunktionäre Zeit für das Gespräch mit Roth und der Delegation, etwa Yang Hyong Sop, Vize-Präsident der nordkoreanischen Vollversammlung und hoher Parteimann. Doch auf heikle Fragen, etwa zum Konflikt mit Südkorea, dem Streben nach Atomwaffen, gibt es keine Antworten. Vielmehr lesen die Funktionäre vorformulierte Texte aus der Parteizentrale ab. Schuld sind dabei stets die anderen.

Nordkorea wolle "Frieden mit allen Ländern", müsse sich aber verteidigen dürfen, sagt etwa der Regierungsbeamte Jo Chol Ryong, der die deutsche Delegation begleitet. "Ein solches Eingemauertsein habe ich noch nicht erlebt", entrüstet sich Roth nach dem ersten Gespräch.

Offener sind die höflichen Nordkoreaner, wenn es um Fotos mit der prominenten deutschen Delegation geht oder wenn sie den "deutschen Freunden" die wuchtigen, stalinistischen Bauwerke zur Huldigung ihrer Führer erklären oder die blitzblanken U-Bahn-Stationen zeigen dürfen, die Namen wie "Triumph" oder "Sieg" tragen. Das Stadtbild wirkt gespenstisch, nahezu beklemmend. Heerscharen von dunkel gekleideten Menschen gehen die kaum befahrenen Straßen entlang, andere fegen stundenlang eine Straßenecke.

Strommangel macht der Bevölkerung zu schaffen, Ampeln fallen aus. Uniformierte Polizistinnen regeln dann den Verkehr. Und überall die Konterfeis der vergötterten Kims, Kim Il-Sung und sein Sohn, der amtierende Staatschef Kim Jong-Il. Nordkorea hat den Führerkult perfektioniert. Und das Volk darbt. Schätzungen der Weltgesundheitsbehörde besagen, dass die Getreide-Ration, die Nordkoreas Führung pro Tag an einen Haushalt verteilt, weniger als die Hälfte des minimalen Kalorienbedarfs eines Menschen abdeckt. Reis wird inzwischen mit gespendetem Milchpulver vermischt an unterernährte Kinder gereicht. Erstmals hat Nordkorea auch Deutschland um Lebensmittelhilfe gebeten.

Der Elite und den rund 1,1 Millionen Soldaten – das Land leistet sich die fünftgrößte Armee der Welt – geht es derweil gut. Sie haben Autos, gerne auch Mercedes-Benz, importierte Waschmaschinen und Handys. Staatschef Kim Jong-Il soll es besonders französischer Cognac angetan haben. Doch die Paläste der Führung sieht die Delegation nicht. Auch nicht die armen Viertel vor den Toren der Stadt. Alleine bewegen kann sich ein Ausländer in Nordkorea nicht. Auch die Journalisten werden ständig begleitet, offiziell von "Dolmetschern".

Das Hotel sei sicher verwanzt, erzählt ein Diplomat aus dem Westen. Als ein Journalist das Hotel verlassen will, rennt ein Parteifunktionär hinterher. "Ich gehe mit Ihnen spazieren", sagt er. Und lächelt. Immerhin: DFB-Präsident Zwanziger, der bei allen politischen Gesprächen dabei ist, unterzeichnet am Ende ein Partnerschaftsabkommen mit dem koreanischen Fußballverband. Schiedsrichterausbildung, Trainerausbildung, Jugendaustausch. "Der Fußball ist Völkerverständigung. Wir führen Menschen zusammen. Das ist die Grundvoraussetzung, um totalitäre Staaten zu öffnen", sagt er.

Es klingt etwas verzweifelt. Ausgerechnet auf die USA trifft die nordkoreanische Mannschaft in der Gruppenphase des Turniers. "Vielleicht lässt sich am Rande des Spiels eine Annäherung der beiden Lager finden", sagt Claudia Roth. Ein Delegationsmitglied fasst die Reise anders zusammen. "Es wird nach dem Besuch jedenfalls nichts schlechter in Nordkorea."

(RP)
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