Berlin Für verwundete Soldaten fehlen Blutkonserven

Berlin · Die deutsche Gesetzgebung verhindert offenbar die optimale Behandlung schwer verletzter Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan. Blutprodukte mit längerer Haltbarkeit sind in Deutschland nicht zugelassen, werden aber vor allem in entfernten Außenposten am Hindukusch dringend benötigt. So konnten einem Geheimbericht des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus zufolge offenbar mehrere im Gefecht verwundete Soldaten nicht ausreichend mit Blutkonserven versorgt werden. Probleme gibt es auch mit Schmerzmitteln: Sie wirken erst nach bis zu 30 Minuten.

Wie problematisch die Lage sei, zeige der Fall eines deutschen Soldaten, dessen Leben "nur durch die Lieferung von US-Verbündeten gerettet werden konnte", zitiert die"Bild"-Zeitung aus dem Bericht. Regierungskreise bestätigen die Engpässe. In Deutschland dauere es zwei Jahre, bis ein neues Arzneimittel genehmigt sei. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr bemühe sich darum, die Blutprodukte in den Niederlanden zu beschaffen, wo sie zugelassen sind. Dafür sei in Deutschland eine Ausnahmegenehmigung beantragt worden. Bei rascher wirkenden Schmerzmitteln werde ähnlich vorgegangen.

Königshaus' Bericht zeigt weitere Defizite auf, die zwar teils schon lange bekannt sind, aber offenbar nicht abgestellt werden konnten: Wegen Kühlungsproblemen steigt zum Beispiel die Innentemperatur in den Schützenpanzern "Marder" regelmäßig auf mehr als 60 Grad. Laut "Bild" müssen deutsche Soldaten größere Sprengfallen fast ungeschützt entschärfen, weil automatische Systeme nicht einsatzbereit sind. Zur Reparatur von Waffen fehlten Ersatzteile und Werkzeug.

Soldaten kritisierten gegenüber dem Wehrbeauftragten außerdem Fehlkonstruktionen an Fahrzeugen. So gebe es in der Sanitätsversion des Geländewagens "Eagle IV" Probleme beim Aufnehmen von Patienten auf Tragen. Ein Verletzter sei deshalb beinahe aus 1,5 Metern Höhe auf den Boden gefallen. In einem der Feldlager funktioniere die Wasserversorgung nur eingeschränkt, Duschen sei darum verboten. An Ausrüstung und Bewaffnung der Bundeswehr im Einsatz ist immer wieder Kritik geübt worden. So musste kurzfristig das alte Gewehr G 3 "reaktiviert" werden, weil sich das Nachfolgemodell G 36 mit kleinerem Kaliber als nicht durchschlagskräftig genug erwiesen hatte. Die in Afghanistan üblichen Lehmmauern soll die G-36-Munition nicht durchschlagen haben.

Bei Helikoptern helfen speziell die Amerikaner den Deutschen aus. US-Rettungshubschrauber haben bereits mehrfach verwundete deutsche Soldaten sogar unter Beschuss aus dem Kampfgebiet evakuiert.

Das Verteidigungsministerium betonte mit Bezug auf den jüngsten Bericht, neu erkannte Mängel würden jedes Mal so schnell wie möglich abgestellt. Dafür sei eine spezielle Kommission eingesetzt, die pro Jahr über einen dreistelligen Millionenbetrag verfügen könne.

Internet Der Afghanistan-Einsatz in Bildern unter www.rp-online.de/politik

(RP)
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