Berlin Für Pädophile fehlen Therapieplätze

Berlin · Vor allem in NRW müssen potenzielle Sexualstraftäter monatelang auf Hilfe warten.

In Deutschland herrscht ein eklatanter Mangel an Therapieplätzen für Männer, die sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlen. Das meldet das bundesweit tätige Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden". Weil behandlungswillige Pädophile in manchen Bundesländern monatelang auf Hilfe warten müssten, erhöhe sich damit das Risiko sexueller Übergriffe auf Kinder. Offiziell sind im vergangenen Jahr fast 15 000 Kinder und Jugendliche Opfer sexuellen Missbrauchs in Deutschland geworden. Das Bundeskriminalamt geht von weitaus mehr Fällen im Verborgenen aus. Um pädophilen Menschen anonym Hilfe im Umgang mit ihrer Krankheit zu bieten, hatte sich 2005 das Netzwerk an der Berliner Charité gegründet.

Mittlerweile gibt es zehn Standorte in zehn Bundesländern. Jeder einzelne kämpft mit der mangelhaften Finanzierung des Projekts. "Insgesamt stehen dem Netzwerk etwa 1,5 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung", sagte Sprecher Jens Wagner von der Charité. Der Bedarf liege aber bei rund fünf Millionen Euro jährlich. Jedes Bundesland bestimmt die Höhe der Mittel selbst und bindet diese an befristete Projektbewilligungen. "Um dem Versorgungsbedarf gerecht werden zu können, benötigen wir eine dauerhafte Finanzierung sowie mindestens einen Standort pro Bundesland", sagte Wagner.

Die Nachfrage an der Uniklinik Düsseldorf ist so hoch, dass die Zahl der Therapieplätze verdoppelt werden müsste. Allein von Juli bis September gab es mehr als 170 Kontaktaufnahmen. "Zurzeit laufen zwei Therapiegruppen", sagte Kirsten Dammertz, die das Netzwerk in Düsseldorf betreut. Zwei weitere Gruppen könnten durch die "sehr hohe Nachfrage" leicht belegt werden. Das sei aber wegen fehlender Kapazitäten nicht möglich. "So ergeben sich Wartezeiten von mehreren Monaten."

Die Justizminister der Länder wollen eine Neuordnung der Projektmittel prüfen. Bei ihrer Herbstkonferenz morgen in Berlin bringen Bayern und Mecklenburg-Vorpommern einen entsprechenden Antrag ein, bei dem auch die Gesundheitsministerien für die Finanzierung mit ins Boot geholt werden sollen. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) sagte zudem: "Der beste Opferschutz ist Prävention." Er kündigte an, sich für eine sichere Finanzierung des Netzwerks über 2016 hinaus einzusetzen. Mehr als eine halbe Million Euro für "Kein Täter werden" stammen aus dem Etat des Bundesjustizministeriums.

(jd)
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