Berlin Fünf Autobauer rufen Diesel zurück

Berlin · 630.000 Diesel-Fahrzeuge müssen wegen auffälliger Abgaswerte in die Autowerkstätten. Betroffen sind bis auf BMW alle großen deutschen Hersteller. Umweltexperten sind empört.

Bei einer der spektakulärsten Rückrufaktionen der Autogeschichte müssen 630.000 Diesel-Fahrzeuge wegen eines erhöhten Stickoxid-Ausstoßes in die Werkstatt. Betroffen sind Autos aller großen deutschen Hersteller bis auf BMW. Dies gab Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gestern bei der Vorstellung des Berichts der Untersuchungskommission "Volkswagen" bekannt. Dobrindt hatte diese nach dem VW-Abgasskandal im September eingesetzt, um auch bei Diesel-Fahrzeugen anderer Hersteller Tests durchführen zu lassen.

Von den 53 getesteten Fahrzeugen waren demnach 22 Fahrzeuge auffällig, weil sich der von den Prüfern festgestellte erhöhte Stickoxid-Ausstoß nicht allein mit einer legalen Ausnahme erklären ließ. Bei diesem sogenannten Bauteile-Schutz darf im Fahrbetrieb die Abgasreinigung unter besonderen Voraussetzungen gedrosselt werden. Das ist erlaubt, wenn andernfalls Teile des Motors Schaden nehmen würden. Die Ausnahme haben viele Hersteller offenbar sehr großzügig ausgenutzt. So fand kaum eine Reinigung statt, wenn die Außentemperatur unter einen bestimmten Wert fiel. Bei manchen Fahrzeugen schaltete sie sich sogar erst bei 18 Grad ein. Eine Betrugs-Software, wie VW sie verwendet hatte, wurde bei den anderen Herstellern nicht gefunden. Die Autobauer haben laut Dobrindt eine "Optimierung" ihrer Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung zugesagt. Das werde noch in diesem Jahr erfolgen.

Autofahrer, deren Wagen von der Rückrufaktion betroffen sind, sollten zunächst warten, bis sie vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) informiert werden. Solange können sie weiter mit ihrem Wagen fahren. Erfolgt die Benachrichtigung, sollten die Details mit einer Werkstatt des Herstellers geklärt werden.

Der Rückruf in die Werkstätten betrifft nur einen Teil der in Deutschland zugelassenen 14,5 Millionen Diesel-Pkw. Rechnet man die 2,5 Millionen VW-Fahrzeuge aus dem Abgas-Skandal hinzu, zeigt sich allerdings, dass bei knapp jedem fünften Diesel geschummelt wird. "Es bestätigt sich, was vielfach abgestritten wurde: Der Skandal betrifft nicht nur den VW-Konzern, sondern die deutsche Automobilbranche insgesamt", sagte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter.

Der Daimler-Konzern, der sich auch in den USA mit Vorwürfen bezüglich der Abgaswerte konfrontiert sieht, betonte, die Fahrzeuge seien nach geltenden Vorschriften zugelassen worden. Dobrindt will sich für eine Verschärfung der Gesetze einsetzen. Der von der EU vorgegebene Rechtsrahmen sei "zu undefiniert" und müsse geändert werden.

Experten kritisieren indes auch den Minister, weil dieser den Autokonzernen einen freiwilligen Rückruf ermögliche. Wer eine rote Ampel missachte, müsse mit Fahrverbot rechnen, sagte Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe: "Wer aber Kunden Autos ohne funktionierende Abgasreinigung verkauft, darf Art und Umfang seines Rückrufs selbst definieren."

Rechtsanwalt Tobias Ulbrich, dessen Kanzlei VW-Kunden vertritt, kritisierte: "Durch die Betonung, dass es sich um einen freiwilligen Rückruf handelt, werden keine neuen Gewährleistungsfristen ausgelöst oder Garantien abgegeben." Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, sagte: "Der Verkehrsminister muss der Automobilindustrie die rote Karte zeigen."

(RP)
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