Berlin Friedrich: Regierung für NPD-Verbotsantrag

Berlin · Die Kanzlerin vollzieht offenbar eine weitere Kehrtwende. Sie will sich beim zweiten Anlauf für ein Verbot der rechtsextremen Partei beteiligen.

Die Bundesregierung wird aller Voraussicht nach mit einem eigenen Antrag vor dem Bundesverfassungsgericht an der Seite des Bundesrats für ein Verbot der rechtsextremen NPD kämpfen. Durch den Verbotsantrag der Länder habe die NPD eine Bühne bekommen, um sich zu präsentieren, erläuterte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nach Angaben von Teilnehmern bei einer Sitzung der CSU-Landesgruppe. Dies habe er immer befürchtet. "Wir müssen nun auf dieser Bühne mitspielen und daher einen eigenen Antrag stellen." Offiziell ist dafür noch ein Beschluss des Kabinetts nötig.

Die Liberalen hatten sich gestern zunächst skeptisch geäußert. In Koalitionskreisen hieß es jedoch, auch aus dem FDP-geführten Justizministerium sei bereits grundsätzlich Zustimmung signalisiert worden. Der "Tagesspiegel" hatte berichtet, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wolle die Liberalen noch von ihrem Vorhaben überzeugen. Entsprechend zurückhaltend reagierte die Kanzlerin auch während ihrer Türkei-Reise: Entschieden werde bis Ende März, sagte sie. Zu ihrer persönlichen Haltung äußerte sich die CDU-Chefin nicht. Merkel hatte nach Angaben aus der Union bereits in der vergangenen Woche intern signalisiert, dass die Regierung aus ihrer Sicht neben dem Bundesrat einen eigenen Verbotsantrag in Karlsruhe stellen solle.

Friedrich ließ bei der Sitzung offen, ob nun auch der Bundestag einen eigenen Antrag stellen müsse. Dies sei aber wohl auch nicht auszuschließen, wurde er von Teilnehmern zitiert. Der Minister machte deutlich, dass die Bundesregierung den Antrag der Länder mit aller Kraft unterstützen wolle. "Wir müssen dafür sorgen, dass der Antrag der Länder Erfolg hat", sagte er. Die Länder bräuchten für diesen Erfolg den Bund. Entgegen ursprünglichen Annahmen sei es dem Bund aber nicht möglich, über eine sogenannte Beiladung oder einen Streitbeitritt an dem Verfahren in Karlsruhe teilzuhaben, sagte Friedrich. "Ich gehe davon aus, dass wir keine andere Möglichkeit haben, als selber einen Antrag zu stellen."

Bislang hatte Friedrich intern dringend davon abgeraten, ein Verbotsverfahren gegen die NPD einzuleiten. Die Beobachtung der rechtsextremistischen Partei hatte ergeben, dass die Partei zunehmend mit finanziellen Problemen zu kämpfen hatte, dass viele Anhänger sich nicht mehr von ihr repräsentiert sahen. Die NPD sei eine "absterbende Partei", argumentierte Friedrich, der man mit dem Verbotsverfahren nur eine Bühne gebe. Als die NPD die vertrauliche Belegsammlung für das Verbotsverfahren in der vergangenen Woche auf ihrer Homepage veröffentlichte, um die Debatte zu befeuern, sah sich der CSU-Politiker in seiner Skepsis bestätigt. Genau das habe er immer befürchtet, sagte er unserer Zeitung. Zugleich stand für ihn fest: "Jetzt müssen wir alles daran setzen, dass der Verbotsantrag Erfolg hat und die NPD am Ende nicht auch noch triumphiert."

Vor zehn Jahren war ein erster Anlauf gescheitert, obwohl der Antrag von den drei Verfassungsorganen Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung beim Verfassungsgericht eingereicht worden war. Seinerzeit waren die höchsten deutschen Richter darüber gestolpert, dass viele Belege offensichtlich nicht zweifelsfrei ohne Beteiligung von V-Leuten von Polizei und Verfassungsschutz zustande gekommen waren. Dem hatten die Behörden nun vorgewirkt, indem sie bereits vor einem Jahr sämtliche V-Leute aus den Führungsgremien der Partei "abschalteten". Zudem waren die Dienste angewiesen, für den Verbotsantrag nur solche Quellen zu verwenden, die ohne Zweifel "V-Leute-frei" sein sollten.

Im Spätherbst vergangenen Jahres hatte sich die Innenministerkonferenz nach längerem Zögern darauf verständigt, einen Verbotsantrag durch den Bundesrat auf den Weg zu bringen. Vor allem aus den neuen Bundesländern war dies immer wieder gefordert worden. Dort gibt es Regionen, in denen rechtsextremistische Parteien und Kameradschaften Teile des Alltags beherrschen. Aber auch CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer gehörte, neben nahezu allen führenden SPD-Politikern, zu den Befürwortern des Verbotsverfahrens.

Leitartikel Seite A 2

(RP)
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