Frauke Petry neue AfD-Chefin Alternative für Lucke

Essen · Frauke Petry führt die AfD künftig alleine. Der geschlagene Bernd Lucke kritisiert das Abdriften der Partei nach weit rechts.

AfD-Frau Frauke Petry – jung, weiblich, populistisch
13 Bilder

Das ist Frauke Petry

13 Bilder
Foto: dpa, spf pil tmk

Frage an den aus Mönchengladbach stammenden emeritierten Tübinger Ökonomieprofessor Joachim Starbatty: "Wird die Alternative für Deutschland (AfD) unter ihrer am Wochenende in Essen gewählten jungen First Lady Frauke Petry (40) zu einer NPD light?" EU-Parlamentarier Starbatty, ein Euro-Gegner der ersten Stunde, antwortet im Ja-und-Nein-Stil: Einerseits gebe es Tendenzen zu einer "NPD light", wenn er sich einige Delegierte anschaue, die in der Essener Grugahalle gegen den gestürzten bisherigen AfD-Kopf Bernd Lucke und dessen pro-westlichen, wirtschaftsliberalen Kurs wüst gepöbelt hätten.

Andererseits sei sowohl die Partei insgesamt als auch der neu gewählte Vorstand hinter Frauke Petry nicht des Rechtsradikalismus verdächtig. Entsetzt war Starbatty über die Hassausbrüche gegen Lucke im Einzelnen und das politische Wutschnauben im Allgemeinen: gegen den Islam oder die USA. So etwas hätte er vor dem Parteitag nicht für möglich gehalten.

AfD-Europaparlamentarier und Lucke-Befürworter Hans-Olaf Henkel erklärte erbost, es drohe jetzt eine "NPD im Schafspelz". Eine dritte Rechtsaußen-Partei neben den Republikanern und der NPD "brauchen wir wie ein Loch im Kopf", sagte Henkel. Die Vernünftigen, Anständigen und Toleranten wendeten sich nach Essen von der AfD angewidert ab, ergänzte der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Auch Henkel selbst trat noch gestern Abend aus der AfD aus. Der 75-Jährige hatte erstmals den Begriff "NPD light" in die Debatte über das seit Monaten heillos zerstrittene bisherige Vorsitzenden-Paar Lucke/Petry (dazu gesellte sich bis zum Wochenende der konservative Bildungsbürger Konrad Adam als Co-Vorsitzender) eingebracht.

Bernd Lucke – Familienvater, Professor, Ex-AfD-Gesicht
15 Bilder

Das ist Bernd Lucke

15 Bilder
Foto: dpa, pse jak

Starbatty wiederum will zunächst in der Partei bleiben und abwarten, ob diese sich wirklich in gefährliche politische Gewässer an rechten Uferrändern begibt. Zweimal hatte der Ökonom Starbatty den Lockungen Petrys und ihrer Anhänger widerstanden, für den neuen Vorstand zu kandidieren. Er will nicht umgehend austreten, aber sein parteiprogrammatisches Engagement stark zurückschrauben.

Die Anhänger Luckes nannten Petrys Triumph (60 Prozent bei 3502 Stimmberechtigten; Lucke erzielte 38 Prozent Zustimmung) einen Pyrrhussieg. Es sei zu erwarten, dass mindestens zehn Prozent der 22 000 AfD-Mitglieder mit konservativ-wirtschaftsliberalen Vorstellungen nun austräten. Darunter sind nicht wenige, die dem 400 Sympathisanten zählenden Verein "Weckruf 2015" angehören. Sie werden womöglich in Konkurrenz zu Petrys AfD und den "Altparteien" (Lucke) eine neue wirtschaftsliberale Anti-Euro-Partei etablieren.

Wer den geschlagenen Lucke erlebte, stellte fest: Hier kämpfte jemand mit offenem Visier gegen eine aus seiner Sicht nach rechts driftende AfD, die sich nicht Proteststimmen am Rande der Gesellschaft andienen dürfe. Lucke wehrte sich dagegen, den Islam pauschal als nicht zu Deutschland passende Religion zu diffamieren oder den Flüchtlings-Zuzug nur mit abwehrenden Vokabeln zu kommentieren.

Petry hingegen saß stundenlang in dem heißen Saal und wirkte wie eine stählerne Blüte: hart und zart in einem. Mal lächelte die Chemikerin lieb wie eine Kindergärtnerin, mal wirkte die Pfarrersfrau und vierfache Mutter wie die eisgekühlte Abwicklerin der Personalie Lucke. Die Mehrheit johlte, wenn Petry sagte, die AfD dürfe bei ihrer Kritik am Islam, an Russland-Sanktionen oder Integrationsproblemen Widerstand in der Öffentlichkeit nicht scheuen. Sie wünsche sich eine liberale und konservative Partei für die kleinen und die großen Bürger.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort