Schwerpunkt Gleichstellung Frauenquote rückt näher

Trotz aller Selbstverpflichtungen von Firmen stieg der Frauenanteil in deutschen Chefetagen kaum. Die Gegner einer gesetzlichen Frauenquote geraten in die Defensive – wie jetzt auch im Bundesrat.

Trotz aller Selbstverpflichtungen von Firmen stieg der Frauenanteil in deutschen Chefetagen kaum. Die Gegner einer gesetzlichen Frauenquote geraten in die Defensive — wie jetzt auch im Bundesrat.

Berlin Wenn über eine gesetzliche Frauenquote in den Aufsichtsräten großer deutscher Unternehmen debattiert wird, schlagen die Emotionen meistens hoch. Reiner Haseloff, der CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, ist einer der wenigen, die lieber die Ruhe bewahren. Er sei sehr dafür, das Thema Frauenquote "aus den parteipolitischen Schützengräben herauszuholen und gesamtgesellschaftlich zu diskutieren", sagt Haseloff.

Im Bundesrat hat der CDU-Mann auch deshalb für die Frauenquote gestimmt — zusammen mit dem ebenfalls CDU-geführten Saarland und den SPD-geführten Ländern. Von 2018 an sollen nach dem Beschluss zunächst 20 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder in großen börsennotierten Unternehmen Frauen sein, ab 2023 dann 40 Prozent. Bußgelder drohen den Firmen, wenn sie die Quote nicht erfüllen.

Damit wird eine verbindliche Frauenquote zwar längst noch nicht Wirklichkeit, denn der Bundestag dürfte die Länderinitiative mit seiner Mehrheit abschmettern. FDP, CSU und maßgebliche Teile der CDU sind weiterhin gegen die feste gesetzliche Quote. Doch der Bundesrat zwingt der schwarz-gelben Koalition eine Entscheidung auf, die sie im Vorfeld des Bundestagswahlkampfs lieber vermieden hätte.

Die Befürworter führen an, dass sich mehr als zehn Jahre nach der Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft von 2001, deutlich mehr Frauen in die Aufsichtsräte und Vorstände zu bringen, nur sehr wenig getan hat. Tatsächlich lag der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der großen börsennotierten Unternehmen auch Anfang 2012 erst bei 15 Prozent, in den Vorständen gar nur bei vier Prozent. Immerhin stieg er in den Aufsichtsräten seit Januar 2011 um fünf Prozentpunkte.

Ohne gesetzliche Regelung tue sich in den Unternehmen zu wenig, argumentiert Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die Ministerpräsidentin des Saarlands. Die "unverbindliche Freiwilligkeit" habe die Türen für Frauen nicht weit genug geöffnet. Verfechter der Frauenquote verweisen zudem gerne auf Vorbilder im Ausland: Norwegen, Dänemark, Schweden, Frankreich und Österreich hätten alle keine Probleme mit ihren Frauenquoten. In Norwegen sei die 40-Prozent-Quote von Frauen in Aufsichtsräten seit Jahren erreicht.

Die Kritiker halten dagegen, dass Unternehmen einfach viel zu wenige geeignete und im Management erfahrene Frauen für Top-Positionen fänden. Die wenigen, die es gebe, würden eine ungeheure Macht erlangen, weil sie gleich in vielen Aufsichtsräten sitzen müssten. Zudem schade die Frauenquote jeder Frau, die es nach oben schaffe: Künftig werde es immer heißen, diese Frau sei nur wegen der Quote erfolgreich, nicht wegen ihrer Kompetenz.

In keiner Partei sorgt die Frauenquote so sehr für Uneinigkeit wie in der CDU. Die junge Familienministerin Kristina Schröder tritt für die so genannte "Flexi-Quote" ein, die nach dem Willen der Parteivorsitzenden Angela Merkel auch ins Parteiprogramm aufgenommen wird. Demnach sollen die Unternehmen bis zum 30. Juni 2013 den Frauenanteil in Top-Etagen verdreifachen. Gelingt ihnen das nicht, soll es eine "gesetzliche Pflicht zur Selbstverpflichtung" geben.

CDU-Vize Ursula von der Leyen ist die Gegnerin Schröders, sie will eine feste gesetzliche 30-Prozent-Quote. Die Vertretung der CDU-Frauen steht mehr auf der Seite von der Leyens. "Das Ziel der Frauen-Union ist eine feste Quote von 30 Prozent in den Aufsichtsräten", sagt deren Vorsitzende Maria Böhmer. Längerfristig müsse sie auf 40 Prozent steigen.

(mar)
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