Paris Frankreichs Parlament stimmt für Bestrafung von Freiern

Paris · Prostituierte werden künftig als Opfer und nicht mehr als Täter betrachtet.

Die französische Nationalversammlung hat das umstrittene neue Prostitutionsgesetz angenommen. In erster Lesung stimmte das Parlament gestern in Paris mit deutlicher Mehrheit dafür, Freier für gekauften Sex zu bestrafen. Der Gesetzentwurf sieht 1500 Euro Strafe vor, im Wiederholungsfall sind 3750 Euro fällig. Außerdem soll es Schulungen der Freier über die Gefahren von bezahltem Sex und Menschenhandel geben.

Mit dem neuen Gesetz will die französische Regierung Prostituierte besser schützen und ihnen helfen, aus dem Milieu herauszukommen. Gleichzeitig soll die bisher geltende, unter Ex-Präsident Nicolas Sarkozy 2003 eingeführte Rechtslage grundlegend auf den Kopf gestellt werden. Denn bisher waren es die Prostituierten, die für das "öffentliche Anwerben" von Kunden zwei Monate Gefängnis und Geldstrafen riskierten.

"Frankreich ist kein Gastland für Prostitution. Unsere Türen werden für den Handel mit Menschen und Prostituierten geschlossen bleiben", hatte Frankreichs Familienministerin Najat Vallaud-Belkacem im Vorfeld der Abstimmung gesagt.

Schätzungsweise 20 000 bis 40 000 Prostituierte gibt es in Frankreich, 80 Prozent davon sind Frauen. Anders als in Deutschland sind Bordelle im vielzitierten "Land der Liebe" zwar seit 1946 verboten — das horizontale Gewerbe selbst aber ist legal, obgleich es — unter streng definierten Bedingungen — nur auf der Bordsteinkante erlaubt ist, in Stundenhotels oder der eigenen Wohnung.

Experten zufolge hat sich die Prostitution in Frankreich in den vergangenen 20 Jahren dramatisch gewandelt: Nur ein Bruchteil der Prostituierten tue dies aus freien Stücken, die überwiegende Mehrheit sei vielmehr Opfer mafiöser Netzwerke. 90 Prozent der Mädchen stammten inzwischen aus dem Ausland. "Prostitution kommt heute Menschenhandel gleich", sagt Ministerin Vallaud-Belkacem.

Und doch ist das neue Gesetz höchst umstritten. Ist die Bestrafung von Freiern realistisch? Hilft diese den Prostituierten überhaupt? Oder treibt sie diese nicht vielmehr erst recht in den Untergrund? Seit Wochen treiben diese Fragen das Land um, auch im Parlament verliefen die Frontlinien quer durch die Parteien: "Alles, was den Menschenhandel eindämmen kann, ist gut", sagte der sozialistische Abgeordnete Thierry Mandon, aus dessen Partei zwar eine Mehrheit für das Gesetz, aber auch fünf Gegestimmen und 18 Enthaltungen kamen.

Der vehementeste Widerstand kam aber von außerparlamentarischer Seite: Prominente wie die Schauspielerin Catherine Deneuve haben eine Petition gegen das Gesetz eingebracht. Für den straffreien Erhalt bezahlter Liebesdienste kämpfen auch 343 selbst ernannte "Salauds" ("Dreckskerle") — Persönlichkeiten aus Kultur und Medien, wie der Schriftsteller und TV-Mann Frédéric Beigbeder. Unter dem Slogan "Touche pas à ma pute!" ("Hände weg von meiner Hure") bekennen sie sich zum Freiertum, haben aber vor allem ihre eigene Freiheit im Visier: "Wenn das Parlament sich einmischt und uns Vorgaben zur Sexualität macht, ist die Freiheit aller bedroht", sagen sie und treiben so die Diskussion voran.

Im Gewerbe selbst ist man derweil geteilter Meinung. "Das Gesetz ist nicht die Lösung", sagt Ophélia, die in der berühmt-berüchtigten Rue Saint-Denis im Pariser Rotlichtviertel ihre Dienste anbietet. Ähnlich sieht das Natacha, die seit sechs Jahren als Escort-Girl arbeitet: "Da muss man schon auf frischer Tat ertappt werden, doch das gelingt der Polizei nicht, denn ich gehe nach Hause oder in Luxushotels." Rosen dagegen, die nach über 20 Jahren in Hostess-Bars den Ausstieg geschafft hat, unterstützt das Vorhaben, die Freier zur Verantwortung zu ziehen: "Die drohende Strafe wird die Kunden bändigen", glaubt sie. Das Beispiel Schweden scheint ihr Recht zu geben. Dort wurde 1999 die weltweit erste Strafe für Freier eingeführt. Die Straßenprostitution ging seitdem um die Hälfte zurück.

(RP)