Paris Frankreichs letztes Aufgebot

Paris · Präsident François Hollande will mit einer deutlich verkleinerten Ministerriege das Debakel der Kommunalwahl vergessen machen. Mit Ségolène Royal und Arnaud Montebourg schlägt er einen riskanten Weg ein.

Seinen Abflug nach Brüssel zum EU-Afrika-Gipfel musste François Hollande um fast eine Stunde verschieben: Priorität hatte die Aufstellung der neuen französischen Regierung. Nach dem Debakel bei der Kommunalwahl braucht der Präsident eine schlagkräftige Truppe, will er das Ruder in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit noch herumreißen. Offiziell kommt es in Frankreich zwar dem Premierminister zu, die Kabinettsliste vorzuschlagen. Der frischberufene Manuel Valls hatte sich nach seiner Amtsübernahme auch umgehend an die Arbeit gemacht. Dieser hat sich aber letzten Endes den Wünschen des Präsidenten zu beugen.

Und so enthält die neue Kabinettsliste, die gestern am späten Vormittag schließlich vorgestellt wurde, zahlreiche Namen von Hollande-Vertrauten, wenngleich nur zwei Neuzugänge darunter sind, so Ségolène Royal, die langjährige Lebensgefährtin Hollandes und Mutter seiner vier Kinder. Die 60-Jährige erhält das wichtige Ressort für Umwelt und Energie. Lange war über ihren Eintritt in die Regierung gemunkelt worden. Gut möglich, dass die kürzliche Trennung Hollandes von Valérie Trierweiler die Karrierewünsche Royals beschleunigt hat. Privates und Berufliches scheinen sich damit abermals zu vermischen, auch wenn Hollande ursprünglich angekündigt hatte, beides strikt zu trennen.

Ein weiterer Neuzugang ist François Rebsamen. Der bisherige Vorsitzende der Sozialisten im Senat erhält das Arbeitsministerium und damit die ehrgeizige Aufgabe, die Arbeitslosigkeit abzubauen. Diese war im Februar auf einen neuen Rekord mit zusätzlichen 31 500 Erwerbslosen gegenüber Januar angestiegen. Dem bisherigen Arbeitsminister und Hollande-Freund Michel Sapin war es nicht gelungen, das Wahlkampfversprechen des Präsidenten einzulösen, die Kurve bis Ende 2013 umzukehren.

Befördert wird Sapin dennoch: Er übernimmt einen der künftig zwei Chefsessel im mächtigen Finanzministerium "Bercy" an der Seine und erbt die Zuständigkeit für die Finanzen und den Haushalt — eine Herkulesaufgabe: Frankreich hat einen Schuldenberg von bald zwei Billionen Euro angehäuft, allein für den Schuldendienst muss es 50 Milliarden Euro pro Jahr aufbringen. Das ist Geld, das die Regierung abermals am Kreditmarkt aufnehmen muss.

Obgleich Hollande zugesagt hatte, der Sanierung der Staatsfinanzen Vorrang einzuräumen, läuft auch das Defizit weiter aus dem Ruder. Eigentlich hatte Paris von Brüssel zwei Jahre Aufschub erhalten, um den Haushalts-Fehlbetrag bis 2015 wieder unter den EU-Grenzwert von drei Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP) drücken. Dieses Ziel scheint aber in immer weitere Ferne zu rücken: Ende 2013 lag es bei 4,3 Prozent des BIP und damit 0,2 Punkte höher als erwartet.

Den anderen Chefsessel in Bercy besetzt der Euro-Skeptiker Arnaud Montebourg. Der Industrieminister erhält das Wirtschafts-Ressort hinzu und gewinnt so an Gewicht. Gemeinsam mit Sapin wird er Einsparungen in zweistelliger Milliardenhöhe vornehmen müssen, um den von Hollande angekündigten "Pakt der Verantwortung" mit den Unternehmen umzusetzen.

Der schillernde Montebourg, der für seine direkte Sprache bekannt ist, steht klar für den linken Flügel seiner Partei. Während der Euro-Krise sparte er auch nicht mit Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel, die einen strikten Sparkurs angemahnt hatte. Mit der nicht unumstrittenen Personalie versucht Hollande offenbar, dem Votum seiner linken Wählerschaft Rechnung zu tragen, die mehr soziale Gerechtigkeit, weniger Steuern und eine Abkehr vom jüngsten sozialdemokratischen Kurs gefordert hatte.

Bei der Kommunalwahl hatten die Franzosen den Präsidenten und seine Politik heftig abgestraft. Hollande hatte daraufhin erklärt, die "Botschaft verstanden" zu haben, und tauschte den blassen Regierungschef Jean-Marc Ayrault gegen den ehrgeizigen und durchsetzungsstarken Valls aus. Dem bisherigen Innenminister wird die nötige Autorität zugetraut, Hollandes neuen Kurs hin zu einer unternehmerfreundlicheren Politik mitzutragen und zu verkaufen.

Das Urteil der oppositionellen Konservativen stand jedenfalls schnell fest. UMP-Chef Jean-François Copé kritisierte: "Wenn man nur Personen auswechselt und dieselbe Politik macht, wird sich in Frankreich nichts ändern."

(RP)
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