Frankreich wählt einen neuen Präsidenten Am Ziel

Paris · Mit 39 Jahren wird Emmanuel Macron der jüngste Präsident Frankreichs. Innerhalb von drei Jahren legte der frühere Investmentbanker eine Blitzkarriere hin.

"Ich muss auf das Meer hinaus fahren und habe dabei ein Ziel", kündigt Emmanuel Macron am 31. August 2016 mit gepresster Stimme an. Der Abschied vom Wirtschaftsministerium, das er zwei Jahre lang geleitet hat, fällt ihm sichtlich schwer. Doch das Ziel, das der 39-Jährige im Blick hat, ist zu verlockend. Es heißt Elysée-Palast und am Sonntagabend hat er es erreicht: Mit 66,1 Prozent der Stimmen wählen die Franzosen ihn zu ihrem jüngsten Präsidenten. Der sozialliberale Shootingstar, den vor drei Jahren noch kaum einer kannte, schafft damit einen Aufstieg, wie ihn das Land noch nicht erlebt hat.

Als der Politik-Neuling vor einem Jahr seine Bewegung "En Marche!" gründet, gilt er noch als exotischer Außenseiter. Doch die Sterne stehen günstig für den smarten Ex-Banker: Sein politischer Ziehvater François Hollande muss angesichts katastrophaler Umfragewerte auf eine Kandidatur verzichten. Sein Rivale auf Seiten der Sozialisten, der reformorientierte Manuel Valls, verliert die Vorwahlen, und der Favorit der Konservativen, François Fillon, verspielt die Präsidentschaft mit seinen Affären. Der Weg ist also frei für den Arztsohn mit dem Adlerblick und dem schüchternen Lächeln, der eigentlich am liebsten Schriftsteller werden wollte.

Seine Frau Brigitte bewahrt immer noch die Hefte auf, in denen "Manu" seine ersten Romanentwürfe schrieb. Brigitte ist Teil der Legende Macron. Lehrerin an seinem Gymnasium im nordfranzösischen Amiens, 25 Jahre älter, Leiterin seines Theaterkurses. Bei der Arbeit an einem Stück kommt sie dem hochbegabten Schüler näher. "Ich habe das nie als Grenzüberschreitung empfunden", sagt die dreifache Mutter und siebenfache Oma in einer Fernsehdokumentation über die "Strategie des Meteors".

Ihr späterer Mann verlässt das Gymnasium, um einen Skandal zu vermeiden, macht in Paris Abitur und legt dann eine Bilderbuchkarriere hin: Politikhochschule Sciences Po, Philosophie-Studium, Beamten-Kaderschmiede ENA. Es folgt eine klassische Laufbahn als Finanzinspektor, die er jedoch 2008 aufgibt, um als Investmentbanker bei Rothschild einzusteigen. Ohne Kenntnisse der Finanzwelt bringt er es zum Teilhaber, der einen milliardenschweren Deal zwischen Nestlé und Pfizer einfädelt.

Das ist Emmanuel Macron: Präsident von Frankreich und Mann von Brigitte Trogneux
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Das ist Emmanuel Macron

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Foto: dpa, TH

"Er hat im Kollektiv gespielt, denn er wusste, dass das eine gute Art war, sein Team für sich zu mobilisieren", erinnert sich der Rothschild-Analyst Laurent Dethomas in der Zeitschrift "Society". Ganz gegen das Kollektiv der sozialistischen Regierung gerichtet, der er angehört, ist allerdings die Gründung seiner Bewegung "En Marche!" im April 2016. Ein Affront vor allem für Hollande, der damals noch Ambitionen auf eine zweite Amtszeit hat.

Anfangs belächelt, hat die Gruppierung, die ihr Gründer bald in eine Partei umwandeln dürfte, inzwischen mehr als 250.000 Mitglieder. Wie eine Art Guru verehren seine Anhänger ihren Chef, der im obersten Stockwerk der Zentrale im 15. Stadtbezirk von Paris sitzt. "Es war wie eine Offenbarung", berichtet Aziz-François Ndiaye über seine erste Begegnung mit Macron. Er hat die Parlamentsdebatten verfolgt, in denen der Minister für sein Gesetz zur Ankurbelung der Wirtschaft wirbt, und kurzerhand an ihn geschrieben. Es folgt ein Treffen, das der 45-Jährige nicht mehr vergisst. Als Vertreter von "En Marche!" im Departement Yvelines westlich von Paris ist Ndiaye inzwischen bei fast allen Auftritten seines Idols dabei.

Macrons Wahlkampf füllt die Hallen, so wie zuletzt in Paris mit mehr als 12.000 Anhängern. In gelben, rosa und blauen T-Shirts feiern die meist jungen "Marcheurs" da ihr Idol, das vor allem eines verbreitet: Optimismus. "In diesem verletzten Land wird morgen nichts wie gestern sein", verspricht er in einer seiner Reden, die selten konkret werden. Als "flou", schwammig, kritisieren ihn seine Gegner immer wieder.

Der Shootingstar selbst gerät durch die Begeisterung in den Hallen so in Ekstase, dass ihm bei einem Auftritt im Dezember die Stimme wegbleibt. Mit weit ausgebreiteten Armen steht er in einer messianischen Geste auf der Bühne und lässt sich feiern. "Macron, der neue von Gott Gesandte?", fragt die Zeitung "Libération" hinterher. Die Mehrheit seiner Wähler sieht den neuen Präsidenten eher kritisch. 60 Prozent stimmten nur für den Sozialliberalen, weil sie ihn als das kleinere Übel gegenüber der Rechtspopulistin Marine Le Pen ansahen. Macron hat nun fünf Jahre Zeit, um sie wirklich von sich zu überzeugen.

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