Paris/Berlin Frankreich schickt Waffen in den Nordirak

Paris/Berlin · Frankreich will nun Waffen an die Gegner der IS-Terroristen liefern. Auch Steinmeier schließt das nicht mehr aus.

Der Vormarsch der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) im Irak hat viele Regierungen überrascht. Für den Kampf gegen die Gotteskrieger will Frankreich nun als erstes europäisches Land Waffen in den Irak liefern. Die Vorbereitungen dafür seien bereits in den vergangenen Tagen getroffen worden, teilte Präsident François Hollande gestern in Paris mit.

Am Vortag hatten die EU-Staaten in der Frage, ob die kurdischen Kämpfer im Nordirak Militärausrüstung bekommen sollen, keine gemeinsame Linie gefunden. Deutschland will vorerst an seiner Linie festhalten und Rüstungsgüter wie Fahrzeuge und Schutzwesten an die kurdischen Streitkräfte liefern sowie humanitäre Hilfsgüter zur Verfügung stellen. Gestern teilte die Bundesregierung mit, weitere 20 Millionen Euro für die Unterstützung der Flüchtlinge im Nordirak zur Verfügung zu stellen.

Die französischen Waffenlieferungen sollten noch gestern auf den Weg gebracht werden. Zur Art der gelieferten Waffen gab es zunächst keine Angaben. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius hatte europäischen Amtskollegen indirekt vorgeworfen, ihren Sommerurlaub nicht für Krisenberatungen opfern zu wollen. "Wenn es Menschen gibt, die sterben, muss man den Urlaub abbrechen", sagte er. Frankreich hatte in den vergangenen Tagen erfolglos versucht, eine europäische Einigung zu erreichen.

Als erstes Land hatten die USA Waffenlieferungen auf den Weg gebracht. Inzwischen erwägt Präsident Barack Obama wohl auch eine Rettungsaktion mit Bodentruppen, um Tausende jesidische Flüchtlinge im Irak vor der Terrormiliz IS zu retten.

Deutschland und andere EU-Staaten - wie etwa Großbritannien - wollen vor allen Dingen humanitäre Hilfsgüter und militärische Ausrüstung liefern. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) schloss Waffenlieferungen in das Land jedoch nicht mehr aus: "Im Übrigen werde ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass wir gegebenenfalls, wenn die Bedrohungslage so anhält, auch Waffen liefern müssen", sagte er gestern dem ZDF-"heute-Journal". Das brutale Vorgehen der Terrormiliz IS könne dies notwendig machen.

In den Niederlanden prüfte das Verteidigungsministerium gestern, ob sich das Land am "strategischen Transport von Gütern in den Nordirak" beteiligen kann. Österreich konzentriere sich auf humanitäre Hilfe an den Irak, hieß es aus Regierungskreisen. Waffenlieferungen seien eher unwahrscheinlich.

Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour sprach sich für einen Einsatz der deutschen Luftwaffe zur Unterstützung der Amerikaner aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte gestern erneut Deutschlands Position: "Ich halte den von Präsident Obama entschiedenen militärischen Einsatz gegen den IS für sehr wichtig, um die Terroristen zurückzudrängen", sagte sie gegenüber der "Zeitungsgruppe Thüringen". Eine Beteiligung der Bundeswehr an dem US-Militäreinsatz sei für die Regierung derzeit allerdings kein Thema.

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) hat bei einem Besuch im irakischen Kurdengebiet eine "deutsche humanitäre Offensive" gefordert. "Es ärgert mich, dass im politischen Berlin seit Tagen eine virtuelle Debatte über Waffenlieferungen geführt wird", sagte die Grünen-Politikerin gestern in einem Telefoninterview aus der Stadt Erbil. Viel sinnvoller wäre es, wenn Deutschland mobile Krankenhäuser und Toiletten für die Vertriebenen schicken würde.

Auch der Malteser Hilfsdienst will im Irak humanitäre Hilfe leisten. Ein Erkundungsteam reist zu Vorbereitungen heute in den Norden des Landes. In Erbil solle ein Soforthilfeprojekt angestoßen werden zur Unterstützung von Christen und Jesiden, teilte der Dienst mit.

(dpa)
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