Paris/Berlin Frankreich kündigt Neubau von Atomkraftwerken an

Paris/Berlin · Anders als Deutschland setzt Frankreich auch mittelfristig auf Kernenergie und erwägt den Neubau von Atomkraftwerken. Energieministerin Ségolène Royal sagte dem Magazin "L'Usine Nouvelle", das Land müsse den Bau "einer neuen Generation von Reaktoren" ins Auge fassen, wenn Altanlagen nicht modernisiert werden könnten.

Der Entwurf für ein sogenanntes Überleitungsgesetz sieht vor, dass Frankreich seinen Atom-Anteil beim Strom von 75 auf 50 Prozent reduziert. Die Vorlage ist vom Abgeordnetenhaus verabschiedet worden und wird in der zweiten Parlamentskammer, dem Senat, geprüft.

Jedes zweite der 58 französischen Kernkraftwerke erreicht im nächsten Jahrzehnt die Laufzeitgrenze von 40 Jahren. Royal, die frühere Lebensgefährtin von Präsident François Hollande, hält diese Grenze jedoch nicht für "in Stein gemeißelt. Einige Atomkraftwerke könnten noch länger am Netz bleiben."

Diese Forderung erhebt auch der Kraftwerksbetreiber EDF, auf den binnen zehn Jahren Modernisierungskosten für seine Atomanlagen in Höhe von 55 Milliarden Euro zukommen. Die letzte Entscheidung über die Laufzeit liegt jedoch nicht bei der Regierung, sondern bei der unabhängigen französischen Atomaufsichtsbehörde ASN. Sie will dieses Jahr eine Vorentscheidung treffen und bis 2019 eine bindende Regelung schaffen.

In Deutschland ist das Ende der Atomkraft hingegen besiegelt: 2022 sollen die letzten Meiler vom Netz gehen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) forderte von der französischen Regierung eine schnellstmögliche Abschaltung des umstrittenen Atomkraftwerks Fessenheim nahe der deutschen Grenze. "Wie Sie wissen, ist die Bevölkerung im grenznahen Bereich über die Sicherheit des Atomkraftwerks sehr besorgt", heißt es in einem Schreiben an Ségolène Royal. Hendricks bat darum, die Sorgen zu berücksichtigen und "die Stilllegung des Kraftwerks zum frühestmöglichen Zeitpunkt vorzusehen". Das Kraftwerk im Elsass ist seit 1977 in Betrieb und damit der älteste der derzeit noch laufenden Atommeiler in Frankreich.

"Mit der Ankündigung zum Neubau von Atomkraftwerken ist Frankreich auf dem Holzweg. Frankreich betreibt damit eine rückwärtsgewandte Energiepolitik zulasten der Sicherheit und günstiger Strompreisen", kritisierte Oliver Krischer, Vizefraktionschef der Grünen im Bundestag. "Schon heute produzieren neue Solar- und Windkraftanlagen quer durch Europa günstiger Strom als neue AKWs." Jedes neue Atomkraftwerk in Frankreich sei auch ein direktes Sicherheitsrisiko für Deutschland.

(RP)
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